Gesellschaftliches Konsumverhalten, Familienklima und Gleichaltrige beeinflussen die Entwicklung von Süchten. Im Allgemeinen steht unsere Gesellschaft Computer und Internet sehr positiv gegenüber. Das begünstigt die Entstehung und später die Aufrechterhaltung der Sucht.
Eltern von Computerspiel-Süchtigen machen sich oft große Vorwürfe. Warum haben sie nicht bemerkt oder es nicht verhindert, als das exzessive Spielen zum Problem wurde?
Ursachensuche in unserer Gesellschaft
Computerspielen wird in unserer Gesellschaft nicht so viel Gefahrenpotenzial zugestanden wie anderen Süchten: Rauchen, Alkohol oder Glücksspielen.
- Durch die vielen Medienberichte zur Digitalisierung der Arbeitswelt sind viele Eltern erst einmal stolz, wenn ihr Kind sich mit den neuen Technologien auskennt und sich mit Computer und Smartphone beschäftigt.
- In Schulen wird frühzeitige der Einsatz der digitalen Medien (völlig zu Unrecht) gutgeheißen und politisch gefördert.
Soziale Netzwerke als Voraussetzung für soziale Teilhabe
Jugendliche und junge Erwachsene können sich WhatsApp, Instagram und Facebook nicht entziehen, wenn sie den Kontakt zu gleichaltrigen halten wollen. Einladungen zu Veranstaltungen werden heute großteils über Facebook-Events versandt. Verabredungen oftmals über WhatsApp-Gruppenchats getroffen – Wer dazu keinen Zugang hat, bleibt dann außen vor.
Eltern können schwer einschätzen, ob sie in das Nutzungsverhalten ihrer Kinder eingreifen sollen. Maßnahmen wie beispielsweise die Abnahme von Smartphone und Computer könnten dazu führen, dass der/die Jugendliche an sozialen Aktivitäten nicht teilhaben kann.
Griffnähe und Verfügbarkeit fördern Süchte
Aus zahlreichen Studien mit anderen Süchten weiß man, dass mehr Menschen abhängig werden, wenn die Suchtmittel Videospiele und Mobile Games leicht verfügbar sind.
Zugleich weiß man, dass in niedrigen sozialen Schichten die Ausstattung von Jugendlichen mit Spielkonsolen und Computerspielen höher ist. Deshalb sind diese Jugendlichen aus niedrigen sozialen Schichten eher gefährdet als Kinder von Akademikern (Rehbein et al. 2010).
Erwachsene Alleinlebende und Singles
Im Erwachsenenalter kann Einsamkeit und fehlende soziale Einbindung eine Computerspiel-Sucht begünstigen.
Beratungsstellen berichten, dass unter den Betroffenen auffällig viele Singles sind. Die Gesellschaft entwickelte sich in den letzten Jahren weg von familiären Strukturen zu vielen Single-Haushalten.
In einer ähnlichen Situation sind Studenten, die für das Studium in eine fremde Stadt ziehen und dort den Anschluss nicht schaffen.
Broken Homes – Der Einfluss des Familienklimas
In zwei Studien zeigte sich, dass Scheidungskinder und Kinder, bei denen ein Elternteil verstorben ist, häufiger computerspielsüchtig sind.
Es wird vermutet, dass in solchen „Broken Home“-Familien
- der alleinerziehende Elternteil den Medienkonsum des Kindes aus Zeitmangel schlechter überwachen kann und
- dass dem Kind ein weiteres elterliches Rollenbild fehlt.
Risiko häufige Familienkonflikte
Zu diesem Thema fehlen noch eindeutige Forschungsergebnisse. Es wird stark vermutet, dass es einen Zusammenhang zwischen häufigem Familienstreit, einer schlechten Eltern-Kind-Beziehung und der Entwicklung einer Computer-Sucht gibt.
In einer deutschen Studie fiel auf, dass Computerspiel-Süchtige häufig eine schlechte Beziehung zur Mutter haben. Auch zu ihren Vätern gestaltete sich die Beziehung schwieriger als in Haushalten mit gesunden Kindern.
Bei der Behandlung von anderen Süchten hat er sich bewährt, mit Familiencoachings frühzeitig einzugreifen. In manchen Fällen kann damit verhindert werden, dass aus anfänglichen exzessiven Verhaltensweisen eine Sucht wird. Auch nach einer Therapie wird mit einem Familiencoaching das Rückfallrisiko gesenkt.
Co-Abhängigkeit
Eine Suchterkrankung verändert das Familienklima. Leider reagiert das Umfeld manchmal dann so, dass es dem Süchtigen seine Abhängigkeit weiter ermöglicht. Das nennt man Co-Abhängigkeit.
Besonders bei computerspielsüchtigen Jugendlichen passiert das.
- Eltern servieren das Abendessen an den PC und räumen danach wieder ab.
- Sie schreiben Entschuldigungen für die Schule, wenn er sich weigert, in den Unterricht zu gehen.
Negative Konsequenzen führen zu Krankheitseinsicht
Natürlich machen sie das aus Sorge und um ihm zu helfen. Dadurch halten sie jedoch die negativen Konsequenzen seiner Sucht von ihm fern – und schaden ihm dadurch indirekt.
Ein Süchtiger kann nur dann erkennen, dass er krank ist, wenn er die negativen Konsequenzen seiner Abhängigkeit auch spürt. Deshalb sollten sie nicht von Eltern oder anderen besorgten Menschen von ihm ferngehalten werden.
Fazit
Gesellschaft und Familienklima beeinflussen die Entstehung einer Computerspiel-Sucht. Gesellschaftliche Veränderungen müssen aus der Politik kommen. Sie muss Rahmenbedingungen schaffen – etwa Tablets und Smartphones aus den Schulen fernhalten oder bildungsferne Schichten besser unterstützen.
Familien und Eltern hingegen benötige Hilfe und Unterstützung statt Schuldzuweisung. „Broken Homes“ mit Scheidungskindern oder verstorbenen Elternteilen führen oft in die Sucht. Auch schlechte Mutter-Kind-Beziehungen und Rollenunsicherheit bei Vätern sind ungünstig. Präventionsarbeit und Familiencoachings haben sich bei anderen Süchten und psychiatrischen Erkrankungen bewährt und sollten auch für Computerspiel-Sucht zum Standard werden.