Schlafstörungen, Haltungsschäden, Über- und Untergewicht | Körperliche Folgen einer Computerspiel-Sucht

Eine Computerspiel-Sucht hat direkte Folgen für die körperliche Gesundheit. Zahlreiche Untersuchungen zeigen, dass der Tag-/Nacht-Rhythmus verloren geht, die Ernährungsweise sich hin zum ungesunden Fast Food verändert und die Fitness leidet. Über- oder Untergewicht ist die sichtbarste Folge.

Diagramm: Computerspieler sind häufiger übergewichtig - Anteil Übergewichtiger Kinder nach Gerätebesitz
Wenn Kinder TV und Computer oder Konsole besitzen, sind sie mehr als doppelt so häufig übergewichtig.

Exzessives Computerspielen verändert den Alltag: Für das Essen bleibt weniger Zeit, Bewegung kommt zu kurz. Die Schlafenszeit wird verdrängt, um auch in der Nacht spielen zu können.

Schlafstörungen

Computer- und Internet-Süchtige verlieren häufig den normalen Tag-Nacht-Rhythmus. Klassischerweise beginnt es damit, dass sie schrittweise immer länger in die Nacht hineinspielen. In der Nacht können Eltern und Angehörige weniger kontrollieren, außerdem gibt es dann keine feste Uhrzeit wie Arbeits- oder Schulbeginn, die der Runde im Online-Spiel ein Ende setzen würde.

Wach in der Nacht, müde und abgeschlagen am Tag

Selbst wenn der Abhängige es schafft, den Computer aus zu machen, spielen seine Online-Kameraden noch weiter und er hat im Bett das Gefühl, etwas Wichtiges zu verpassen.

Wenn seine Gedanken im Bett noch beim Spiel sind, tut er sich schwer davon abzuschalten. In diesem Zustand der Aufregung, dem psychologischem Arousal, ist es schwierig, einzuschlafen. Was ist die Folge? Er setzt sich wieder an den Computer oder schaltet Smartphone und Tablet ein – und startet damit das Problem von Neuem.

Aufregung vor dem Schlafengehen hält im Bett wach

Diese Aufregung, das psychologische Arousal, ist generell schädlich für gesunden Schlaf. Der Körper ist bei Stress darauf vorbereitet, zu kämpfen oder zu fliehen. Einzuschlafen ist da nicht vorgesehen.

Diesen Stress lösen auch aufregende Computerspiele aus. Nach dem stressigen Erlebnis benötigt der Körper Stunden, um von diesem Erregungsniveau wieder herunterzukommen. Deshalb wäre es am besten, vor dem zu Bett gehen genau solche Reize zu verhindern – ebenso wie man empfiehlt kein großes Essen oder keine aufregenden Filme spät am Abend zu konsumieren.

Psychologische Erregung kann man gut messen. In Studien zeigte sich, dass Computerspiele diese Erregung hochtreiben können. Online-Rollenspiele sind noch einmal aufregender als Single-Player-Spiele. Wahrscheinlich, weil online meist gegen echte andere Spieler gekämpft wird und die Kämpfe deshalb spannender sind. Zudem gibt es im eigenen Team oft Konflikte – der Umgangton zwischen Computerspielern im Internet ist rau.

Medikamentenmissbrauch, um doch schlafen zu können

Deshalb leiden mehr als 50 % der Computerspiel- und Internetsüchtigen unter unruhigem Schlaf. Auch die Qualität des Schlafs ist schlechter. Häufig greifen sie zu Schlafmitteln, um trotzdem noch zur Ruhe zu kommen. Das ist gefährlich, weil Schlafmittel wie Z-Substanzen oder Benzodiazepine abhängig machen.

Bewegungsmangel

Wer an Computer, Konsole und Smartphone hängt, verlässt Zimmer und Haus kaum noch. Der menschliche Körper ist nicht dafür gemacht, stillzusitzen. Deshalb nimmt die körperliche Leistungsfähigkeit ab, Sehnenverkürzungen und schwache Muskulatur sind irgendwann auch deutlich als Haltungsschäden zu erkennen.

Daran ist die sitzende, meist gekrümmte Haltung vor dem Bildschirm Schuld. Chronische Rücken- und Nackenschmerzen kommen häufig vor. Bei Jugendlichen und Kindern sieht man in der Turnstunde dann die Folgen, exzessive Spieler sind weniger belastbar und ausdauernd. So macht Sport wiederum keinen Spaß – die Motivation sinkt in den Keller. Ein bewegungstechnischer Teufelskreis.

Über- und Untergewicht durch Fast Food

Neben einer Sucht bleibt keine Zeit für eine gesunde, ausgewogene Ernährung. Vor allem bleibt keine Zeit für eine sorgfältige Zubereitung. Das Klischee von der Pizza, die beim Lieferservice bestellt und eilig vor dem Computer verschlungen wird, ist recht zutreffend.

Andererseits werden oft Mahlzeiten über Stunden hinausgeschoben, nur um das Spiel nicht unterbrechen zu müssen. Hunger und der Gedanke an Essen werden nicht mehr als zentrale Bedürfnisse wahrgenommen, wichtiger ist die Bedürfnisbefriedigung durch das nächste Spiel.

Das Gehirn passt sich an die Sucht an

Das verankert sich im Gehirn: Je weiter die Suchterkrankung fortgeschritten ist, desto mehr verdrängt das Verlangen nach Weiterspielen die natürlichen Bedürfnisse, Hunger, Durst, Schlaf. Das Gehirn und sein Belohnungssystem können sehr flexibel sein – leider auch zu unseren Ungunsten.

Computerspiel-Sucht führt oft zu Übergewicht

Ernährung und Bewegung bestimmen das Körpergewicht. Genau deshalb wird der Zusammenhang zwischen Körpergewicht und Computerspiel-Sucht häufig untersucht. Tatsächlich sind die Abhängigen häufiger übergewichtig.

Als übergewichtig gilt, wer einen Body-Mass-Index über 25 hat. Wer einen Body-Mass-Index über 30 erreicht, muss mit deutlichen gesundheitlichen Folgen rechnen. Außerdem schränkt das hohe Gewicht die Lebensqualität ein.

Oder zu Untergewicht

Paradoxerweise führt eine Computerspiel-Sucht oft auch zu Untergewicht. Neben der starken Befriedigung, die Computerspielen auf den Betroffenen ausübt, ist Essen unwichtig. Das Gehirn verlernt ein Stück weit, essen rechtzeitig zu fordern und zu genießen.

Deshalb schieben die Süchtigen oft Mahlzeiten lange hinaus, um den PC nicht verlassen zu können. Mahlzeiten werden schlicht manchmal vergessen. Wenn die Ernährung dazu noch relativ einseitig bleibt, kommt es bald zu einer Mangelernährung. Dann kann ein Gewichtsverlust die Folge sein.

Übergewicht als Risikofaktor für eine Sucht

In manchen Fällen mag ein bestehendes Übergewicht auch eine der Ursachen für die Computerspiel-Sucht sein.

Wenn das Selbstvertrauen von Jugendlichen unter den zusätzlichen Kilos leidet, tun sie sich oft schwer, in Klassengemeinschaft und unter Gleichaltrigen ihren Platz zu finden. Da ist es leichter, seine Bestätigung abseits der realen Welt in Computerspielen zu finden.

Vitamin D – Mangel

Sonnenlicht ist wichtig, weil es unser Körper für die Herstellung von Vitamin D benötigt. Im Darm, Knochen und Zähnen, in Muskulatur – Vitamin D brauchen wir an vielen Stellen.

Wenn Abhängige sich zu wenig im Freien aufhalten, kann dieses Vitamin nicht im eigenen Körper gebildet werden. Oft verdunkeln die Betroffenen zusätzlich das Zimmer, um auf dem Bildschirm besser erkennen zu können. Das führt dann endgültig zum Vitamin D-Mangel.

Fazit

Exzessives Computerspielen hat eine Reihe von negativen Auswirkungen auf den Körper, vor allem:

  • Schlafstörungen
  • Rückenschmerzen
  • Nackenschmerzen
  • Über- oder Untergewicht
  • Vitamin D-Mangel

Quellen

Chan, P.A., Rabinowitz, T. A cross-sectional analysis of video games and attention deficit hyperactivity disorder symptoms in adolescents. Ann Gen Psychiatry 5, 16 (2006) doi:10.1186/1744-859X-5-16.

Computerspielabhängigkeit im Kindes- und Jugendalter Empirische Befunde zu Ursachen, Diagnostik und Komorbiditäten von Florian Rehbein, Matthias Kleimann und Thomas Mößle (PDF-Download).

Habitual computer game playing at night is related to depressive symptoms von Lemola, Brand, Vogler, Perkinson-Gloora, Allemand & Groba.

Mediennutzung, Schulerfolg, Jugendgewalt und die Krise der Jungen. ZJJ — Zeitschrift für Jugendkriminalrecht und Jugendhilfe, 3: 295–309 von Mößle, Kleinmann, Rehbein, Pfeiffer.