Computersucht (Gaming Disorder)

von Dr. Armin Kaser | Psychologe

Computersucht wurde 2018 als „Gaming Disorder“ offiziell als psychische Krankheit von der WHO anerkannt. Symptome, Folgen und was man dagegen tun kann.

Video: Alles über Computersucht – Anzeichen, Ursachen, Tipps & Therapie

Zusammenfassung

  • Unter der Sucht leiden Alltag, Schule/Job und Familienleben. Folgen sind massive Konflikte, Vereinsamung, der Abbruch von Schule oder Studium und Arbeitslosigkeit.
  • Häufig sind psychische Begleiterkrankungen: Depressionen, Ängste, ADHS und Persönlichkeitsstörungen.
  • Hilfe finden Betroffene und Eltern bei Beratungsstellen (online oder offline), in meiner Online-Beratung, bei Psychologen und Suchtkliniken. In leichten Fällen können Tipps und Techniken zur Selbsthilfe ausreichen.

Symptome

Eine Computersucht (engl. Gaming Disorder) lässt sich anhand dieser typischen Symptome von normalem Spielen unterscheiden:

  1. Craving – unwiderstehliches Verlangen: Die Gedanken kreisen auch dann um Computerspiele und die nächste Gelegenheit zu spielen, wenn eigentlich wichtigeres zu erledigen ist – in der Schule oder am Arbeitsplatz.
  2. Fehlende Kontrolle – eigene Versuche, die Spielzeit zu reduzieren, scheitern.
  3. Entzugssymptome – Kann der Süchtige längere Zeit nicht spielen, wird er nervös, aggressiv, reizbar, wütend. Auch körperliche Entzugssymptome sind möglich.
  4. Toleranzentwicklung – um die positiven Gefühle weiter zu spüren, muss Intensität und Dauer des Computerspielens ständig erhöht werden. Die Spielzeiten werden kontinuierlich länger.
  5. Weiterspielen trotz auftauchender Probleme – Der Süchtige spielt weiter, obwohl die ausufernde Spielzeit, Vernachlässigung des Alltags, Schule oder Job negative Konsequenzen auf sein Leben haben.
  6. Vertuschung und Lügen – der Süchtige belügt seine Eltern, Partner oder Familie, um die Sucht zu verbergen und um weiterzuspielen.

Häufigkeit

Psychologische Studien ergeben, dass im deutschsprachigen Raum 2-4 % der Bevölkerung von Computersucht betroffen sind. Die Zahlen unterscheiden sich stark, je nachdem, welche Altersgruppe und Untersuchungsmethode gewählt wird.

Ursachen

Eine Sucht hat immer mehrere Ursachen. Das biopsychosoziale Modell zu Computersucht unterscheidet 3 Bereiche:

1. Ursachen in den Persönlichkeitsmerkmalen des Computersüchtigen – Menschen sind unterschiedlich anfällig für die Entwicklung einer Abhängigkeit. Introversion, Schüchternheit, Sensation Seeking, emotionale Instabilität begünstigen eine Sucht.

2. Ursache im Suchtmittel: den Computerspielen – Spieldesigner nutzen das Belohnungssystem unseres Gehirns um Gefühle von Spaß, Freude und Zufriedenheit auszulösen. Manche Spieler werden von diesen Belohnungsreizen allerdings abhängig. Die Entwicklung von Abo-Modellen und Free2Play-Spielen hat dazu geführt, dass diese psychologischen Mechanismen intensiver genutzt werden.

3. Ursachen im familiären und gesellschaftlichen Umfeld – Broken Homes, familiäre Konflikte und Schicksalsschläge, Leistungsdruck in Schule und Arbeit können ebenfalls eine Computersucht fördern. Auf dem Smartphone sind Spiele ständig verfügbar. Eltern können die Spielzeit deshalb nur noch schwer kontrollieren.

Begleiterkrankungen

Fast alle Computersüchtigen zeigen zusätzlich Symptome einer oder mehreren psychischen Störungen.

  • 52 % leiden an Persönlichkeitsstörungen wie Paranoia, Borderline, Narzissmus, Zwänge (zu den Persönlichkeitstests).
  • 50 % beschreiben eine Angststörung. Am häufigsten sind soziale Ängste: Extreme Schüchternheit, Unsicherheit und ein Mangel an sozialer Kompetenz.
  • 40 % zeigen depressive Symptome – Verlust an Interesse, Traurigkeit, Schlafstörungen, Gewichtsverlust, Suizidgedanken.
  • 24 % sind von ADHS betroffen: Beeinträchtigung der Aufmerksamkeit, Impulsivität und Hyperaktivität.

5 Tipps gegen Computersucht

  1. Das Problem richtig ansprechen: Suchen Sie einen geeigneten Zeitpunkt. Setzen Sie sich ein realistisches Ziel. Vielleicht, dass er ein altes Hobby wieder aufnimmt? Eine Reduktion der Spielzeit? Ein wichtiges Ziel ist: Er soll verstehen, dass Sie sich Sorgen machen – auch wenn er selbst kein Problem erkennen kann.
  2. Wenn es um Ihr Kind geht: Informieren Sie sich über altersgerechte Mediennutzung.
  3. Vereinbaren Sie mit Ihrem Kind einen Mediennutzungsvertrag. Er hilft, unnötige und wiederkehrende Diskussionen über Handy-, Computer-, Konsolen- oder Internetnutzung zu verhindern.
  4. Schwieriger, aber möglich: Manche psychologischen Techniken aus der Verhaltenstherapie können Sie selbst versuchen. Mit dem Tageszeitkuchen halten Sie fest, wie groß der Anteil der Spielzeit am Tagesablauf ist – und was stattdessen wünschenswert wäre. Die Kosten-Nutzen-Analyse sammelt Motive und Konsequenzen exzessiven Spielens. Was sind die Ursachen einer Sucht? Welchen Nutzen zieht der Betroffene aus seinem süchtigen Verhalten? Die effektivste Variante sind Belohnungspläne. Sie verstärken positives Verhalten mit kleinen und großen Belohnungen. Alle Unterlagen finden Sie auf der Selbsthilfe-Seite.
  5. Richten Sie online- und Smartphone-freie Zeiten ein, an die Sie sich auch selbst halten. Seien Sie selbst auch ein gutes Vorbild.

Was Sie nicht machen sollten

Die Erfahrung zeigt, dass ein absolutes Verbot von Smartphone, Computer und Konsole nicht funktioniert. Auch das Installieren von technischen Hürden (Router verstecken oder gar das Löschen der Spielaccounts) schafft eher zusätzliche Konflikte.

Dr. Armin Kaser | Profilfot