Wie wird Computerspiel-Sucht in Sucht-Kliniken und Psychiatrien behandelt?

Bei einer schwerwiegenden Computerspiel-Sucht sind Beratung und Selbsthilfe nicht genug. Dann ist es besser, den SĂŒchtigen notfalls auch gegen seinen Willen in eine spezielle Suchtklinik oder Psychiatrie aufzunehmen – zu seiner eigenen Sicherheit, aber auch zur Entlastung von Familie und Angehörigen.

Krankenhaus Klinik Psychiatrie Notfall

Bei schweren FĂ€llen ist es nicht mehr möglich, die Computerspielzeit auch nur ein wenig zu reduzieren. Es gibt keine Ressourcen mehr, die noch schĂŒtzend wirken könnten – Hobbys, Freunde oder Schulbesuch.

Auf Verbote und Entzug reagieren die SĂŒchtigen oft massiv aggressiv, bis hin zu körperlichen Auseinandersetzungen.

Die Einweisung bringt Erleichterung und Sicherheit

Außerdem besteht die Gefahr, dass ein kalter Entzug depressive Symptome, von Selbstverletzung bis hin zu Suizid auslöst. Diese Verantwortung können Familie und Partner keinesfalls ĂŒbernehmen.

Sucht-Kliniken und Psychiatrien haben hingegen geschultes Personal, die auf solche Situationen vorbereitet sind. Meist lÀuft die Therapie in 7 Schritten ab.

1. Schritt: Kalter Entzug

In der Sucht-Klinik ist der kalte Entzug möglich. Ab dem Tag der Einweisung herrscht erst einmal strenges Spielverbot. Damit wird der Teufelskreis zwischen sozialem RĂŒckzug und zunehmender Spielzeit unterbrochen.

2. Schritt: Therapie und Medikamente gegen Entzugssymptome

Reizbarkeit, AggressivitÀt und depressive Verstimmung können von geschulten Personal aus AllgemeinÀrzten, Psychologen, Psycho- und Ergotherapeuten und bei Bedarf mit Medikamenten gut behandelt werden.

Der nÀchste Schritt ist therapeutische Arbeit an sich selbst und den Ursachen der Sucht.

Die wichtigste Frage in der Therapie: „Was gibt mir die Computerspiel-Sucht, was mir im realen Leben fehlt?“

3. Schritt: RegelmĂ€ĂŸiger Schlaf

Die meisten Computerspiel-SĂŒchtigen haben einen normalen Schlaf-wach-Rhythmus verlernt:

  • Spielen bis spĂ€t in die Nacht,
  • Probleme beim Einschlafen durch die Aufregung und das Blaulicht der Monitore,
  • schlafen tagsĂŒber, weil sie nicht mehr in die Schule oder arbeiten gehen.

Der Tagesablauf in Kliniken ist dagegen klar strukturiert mit festgelegten Mahlzeiten, Morgengymnastik und Einzel- und Gruppentherapien. Ein geregelter Tagesablauf ist auch die Vorbereitung, um spÀter wieder am normalen gesellschaftlichen Leben teilzunehmen.

4. Schritt: Offline-Hobbys und AktivitÀten neu starten

In Ergotherapien können die SĂŒchtigen basteln, malen, zeichnen und handwerken – ein Anfang, ihre Freizeit auch ohne Computer, Konsole und Smartphone zu gestalten.

Ehemalige Hobbys werden gefördert. Damit versucht man, fĂŒr die Zeit nach der Klinik vorzusorgen. RĂŒckfĂ€lle passieren oft, wenn nicht genug Alternativen zum Computerspielen aufgebaut werden.

5. Schritt: Wiederaufnahme von Schule, Uni oder Arbeit

Das Leben nach der Klinik soll wieder in ganz geregelten, normalen Bahnen ablaufen. Deshalb versucht man schon wÀhrend des Aufenthalts, wieder mit Schule, Uni oder Arbeit zu starten. Damit wird die Belastbarkeit langsam wiederaufgebaut.

Schulproblemen auf den Grund gehen

Es ist auch wichtig, zu sehen, ob unabhÀngig von der Sucht Lernschwierigkeiten oder kognitive EinschrÀnkungen da sind. Dann kommt eine andere, besser geeignete Schulform oder zusÀtzliche Lernförderung in Frage.

6. Schritt: Ko-MorbiditÀt/Begleiterkrankungen abklÀren

Besonders ADHS kommt oft zusammen mit Computerspiel-Sucht vor. Deshalb wird hÀufig ein ADHS-Test gemacht. Andere hÀufige Begleiterkrankungen werden ebenfalls abgeklÀrt: (Soziale) Angststörungen, Depressionen, Burnout.

7. Schritt: Planung und Begleitung fĂŒr die Zeit danach

Wenn man sich sicher, ist dass RĂŒckfĂ€lle verhindert werden können, kann der Betroffene wieder in sein altes Umfeld und seine Familie zurĂŒck. Bei Kindern und Jugendlichen gelingt das, wenn sich in der Zwischenzeit wieder NĂ€he und emotionale Zuwendung entwickelt haben.

Auch die Eltern können in der Zwischenzeit lernen, wie sie besser mit dem Betroffenen und seiner Situation umgehen sollen.

Jugendliche und Erwachsene können lĂ€ngerfristig in eine Wohngruppe aufgenommen werden – zum eigenen Schutz und zur Entlastung des Umfelds.

Dr. Armin Kaser | Profilfot