Rund 6 % der Jugendlichen in Deutschland gelten als computerspielsüchtig oder stark gefährdet. Das Frauenmagazin Mona Lisa des ZDF zeigt den jahrelangen Leidensweg von Laslo.
“Ich bin verwahrlost, soziale Kontakte waren nur noch Stress für mich.”
Laslo
Rollenspiele wie World of Warcraft, Ego-Shooter wie Counterstrike, Strategiespiele wie League of Legends. Sie alle haben etwas gemeinsam: Ein Mensch steuert seinen Charakter durch die virtuelle Welt.
„Egal wer du bist, Hauptsache du spielst gut. Dann bekommst Du Anerkennung. Die Erfolge sind schnell erreichbar und sichtbar, berechenbar. Egal wie du dich verhältst. Dann bist du wer.“
Laslo
Laslo hat eine langjährige Spielergeschichte hinter sich. Er spielt schon mit 12 Jahren so viel Computer, dass seine Leistung in der Schule leidet. Damals wird er jedoch noch von seiner Mutter kontrolliert. Als er mit 17 von zuhause auszieht, kann er endlich spielen so lange und so viel er will. Bis er den PC dann gar nicht mehr ausschaltet. Er verlässt sein Zimmer von nun an nicht mehr.
Computerspiel-Sucht und Depression
Neben der Computerspiel-Sucht zeigt er typische Anzeichen einer Depression. Er vernachlässigt seinen Körper, verliert an Gewicht. Seine Selbstachtung schwindet.
„Dann wurde mir bewusst, dass ich stinke, dass das Zimmer schimmelt, dass ich unterernährt bin. Dass ich mich selber kaum noch im Spiegel angucken will. Dass ich mich schäme für mein Leben.“
Laslo
Die Mutter verliert ihren Sohn
Der Mutter bleibt das nicht verborgen. Auch für sie ist es eine schwierige Zeit. Sie hat den Eindruck, dass sie ihren Sohn verloren hat. An das Internet und die Computerspiele.
„Als Mutter ist es unglaublich hart, mitanzusehen, wie das eigene Kind abdriftet und man keinen Zugang mehr findet. Den Kontakt verliert, dasteht und nicht mehr weiß, was man machen soll.“
Laslos Mutter
„Meine Mutter versuchte, sich zwischen mich und den Rechner zu stellen. Diesen Kampf kann kein Elternteil gewinnen. Deswegen wurde sie zu einem nervigen Objekt.“
Laslo
Ihre Hilfsversuche verpuffen. Gegen die Computerspiel-Sucht von Laslo hat sie keine Chance. So wie ihr geht es vielen Angehörigen. Und sie ist nicht allein.
Eine aktuelle Studie hat ergeben, dass rund 6 % der Jugendlichen in Deutschland süchtig oder zumindest stark suchtgefährdet sind. Bei Jungen sind es eher Online-Rollenspiele, bei Mädchen tendenziell eher soziale Netzwerke wie Facebook.
Spezielle Einrichtungen für Computerspiel-Süchtige
Für Abhängige wie Laslo gibt es spezielle Einrichtungen wie das Caritas-Projekt „Lost in Space“ in Berlin. Solche Anlaufstellen haben sich auf die Bedürfnisse der Computerspiel-Süchtigen spezialisiert, erklärt Gordon Schmit.
„Sie kommen mit dem Problem, dass sie sagen, sie spielen zu viel am Computer oder sie recherchieren zu viel. Und schaffen es nicht, alleine davon loszukommen.“
Gordon Schmidt, Leiter “Lost in Space”
Psychiatrische Kriterien für Computerspiel-Sucht
In Amerika ist man schon einen Schritt weiter. Dort haben Psychiater definiert, wann genau man von einer Online-Sucht sprechen kann.
„Es gibt 9 Kriterien, die eine Internet- oder Computerspiel-Sucht beschreiben. Von diesen müssen mindestens 5 innerhalb eines Jahres vorhanden sein.
Zum Beispiel der Kontrollverlust, es eben nicht mehr kontrollieren zu können, oder die Interessensverschiebung, was bedeutet, dass ich mich nicht mehr draußen im Real Life aufhalte, sondern nur noch in der virtuellen Welt. Oder Gefährdung und Verluste, das heißt, dass ich durch das Spielen meine Berufschance aufs Spiel setze oder schon verloren habe.“
Gordon Schmidt, Leiter “Lost in Space”
Weitere Kriterien sind:
- Das Aufgeben von früheren Hobbys und Aktivitäten. Wenn z. B. der Hobbyfußballer das Training für ein Computerspiel sausen lässt.
- Entzugssymptome wie Unruhe und Ängstlichkeit, auch Aggressivität.
- Die andauernde gedankliche Beschäftigung mit Online-Rollenspielen, auch wenn der Computer aus ist – z. B. in der Schule.
Laslo erkennt sich in den Kriterien der Psychiater sehr gut wieder. In jeder freien Minute denkt er an die Computerspiele. Um länger zocken zu können lügt er vor allem seine Mutter an, versucht, die wahre Spielzeit zu verbergen.
Keine Freunde, Studium abgebrochen
Das betrifft auch seinen Freundeskreis, der wegen seiner Sucht zusammengebrochen ist. Auch sein Studium kann er nicht weitermachen, er bricht ab. Erst als er am Tiefpunkt angekommen ist, realisiert er, dass er etwas ändern muss.
„Ich hatte tierische Wut auf mich, dass ich das so lange nicht erkannt habe. Ich habe gedacht: Wie bescheuert bist du eigentlich. Dass du die ganze Zeit in die falsche Richtung gerannt bist.
Du hast die ganze Zeit geglaubt: Du bist der Beste, du bist der King, du bist der Boss. Und eigentlich bist du nur ein jämmerlicher, kleiner Pisser.“
Laslo
Laslo entscheidet sich für einen konsequenten Weg. 6 Monate dauert seine Therapie in einer Spezialklinik. Gruppen- und Einzeltherapie helfen ihm.
Hohe Rückfallgefahr
Ein halbes Jahr später fühlt sich Laslo geheilt. Doch sein Leidensweg beginnt von vorne. Als er sich wieder an der Rechner setzt, wird er rückfällig. Die Sucht hat ihn wieder.
„Ich habe versucht, kontrolliert zu zocken und damit tierisch gegen die Wand gefahren. Aus 2 Stunden wurden 8 Stunden. Ich hab‘ mich vom Fenster weggesetzt, damit mich keiner sieht.
Ich hab‘ total die Kontrolle verloren. Die Synapsen sind durchgebrannt, wie bei einer stofflichen Sucht bei mir. Das heißt, ich kann es nicht kontrollieren, mein Suchtgedächtnis ist stärker als ich, als mein Wille. Es ist keine Frage des Willens, ich bin einfach krank.“
Laslo
Aus dieser Erfahrung lernt Laslo, dass für ihn nur eine vollkommene Abstinenz funktionieren kann. Er nimmt die Therapie wieder auf. Schafft es dann, eine Ausbildung zum Erzieher zu machen. Auch mit seiner Familie kann er sich wieder versöhnen. Seine Zukunft sieht er deshalb optimistisch.
„Ich hab‘ Bock auf das Leben, ich habe Bock auf Nähe, möchte eine Beziehung eingehen. Mich Herausforderungen zu stellen, Konflikte zu bewältigen.“
Laslo
Laslo hat die Kontrolle über sein Leben zurückbekommen.