DW Video: Auf Entzug | Ein Internet-Süchtiger geht offline

Erik kann von seinem PC nicht genug bekommen. Er ist süchtig danach. Der 20-Jährige aus Berlin hat selbst eingesehen, dass er zu viel Zeit online, in Spielen und in sozialen Netzwerken verbringt. Deshalb versucht er jetzt von seiner Sucht loszukommen. Aber er weiß, allein schafft er es nicht. Das Reporterteam der Deutschen Welle begleitet ihn dabei.

Erik auf dem Weg zu seinem Computer im Keller. Er zeigt dem Reporterteam die fein säuberlich verpackten Einzelteile, Tastatur, Monitor, Zeichentablet, Maus, Kabel, Webcam. Alles eingepackt in Karton und Plastikfolie in einer großen Kiste im ansonsten leeren Keller.

„In dem Moment, als ich die Sachen in den Keller gebracht habe, ist eine riesige Last von mir gefallen. Klar, manchmal vermisse ich es, aber alles in allem fühlt es sich gut an.“

Erik, 20 Jahre, internetsüchtig

Obwohl der PC damit außer Reichweite ist, gibt es für ihn auch weiter Möglichkeiten online zu sein. Selbst das Smartphone bewahrt er im Keller auf. Für dringende Notfälle. Mit einem Grinsen im Gesicht gibt er aber zu, dass man ganz unterschiedlich definieren kann, was dringend ist.

„Wirklich dringend brauche ich es nicht. Aber ich benutze es alle paar Tage mal.“

Zufrieden ist er damit selbst nicht. Um sich von der ständigen Versuchung zum Zocken abzulenken zeichnet Erik Comics, ganz altmodisch mit Stift und Papier. Früher war Erik oft Tag und Nacht online. Weil er allein lebt, gibt es niemanden, der ihn daran hindern kann.

„Mein Rekord war 20 Stunden. Ohne Pause. Essen vor dem Computer. Es fing morgens an und ging bis spät in die Nacht so. Fast bis zum nächsten Morgen.“

Erik, 20 Jahre, internetsüchtig

Ihm fiel selbst auf, dass das zu viel ist. Ihm wurde klar, dass er etwas ändern muss. Aus eigener Kraft hat er den Schritt aber nicht geschafft. Deshalb hat er sich Hilfe von außen geholt und fand die Beratungsstelle Lost in Space.

Die Suche nach Ursachen

Er berichtet in der Gruppensitzung von einer schwierigen Kindheit, Stress mit der Mutter und einem frühen Auszug mit 15 Jahren. Hänseleien und Mobbing in der Schule, in seiner Erinnerung eine furchtbare Zeit. Zuhause konnte er sich mit dem Computer besser fühlen.

„Immer wenn ich nach Hause kam, war der PC da. Ich habe gespielt und es war wie weg. Die ganzen negativen Gefühle waren unterdrückt.“

Erik, 20 Jahre, internetsüchtig

Die Bewältigungsstrategie wurde zur Gewohnheit. Vor dem PC geht es ihm besser.

„Immer wenn ich in der Schule saß, habe ich mich schon gefreut. Noch ein paar Stunden und dann kann ich wieder nach Hause spielen.“

Erik, 20 Jahre, internetsüchtig

Die Computerspiel-Sucht hatte Folgen für Erik. Die Schule hat er deswegen abgebrochen, ein freiwilliges ökologisches Jahr ebenfalls. Er bemüht sich, viel Ablenkung zu bekommen. Clean ist er aber trotzdem nicht.

Schwierig wird es immer, wenn er zu Freunden geht – vorgeblich um Emails zu checken. Weil die selbst auch Computerspielen sind solche Besuche eine große Verlockung.

Geld, YouTube und Facebook

Neben der Suchtgefahr gibt es bei manchen auch finanzielle Risiken. Neue Spiele kosten Geld. DLCs und Mikrotransaktionen können sich summieren.

Abgesehen von Computerspielen bergen auch soziale Netzwerke oder YouTube Gefahren. Sie sind noch leichter zugänglich, von überall abrufbar. Deshalb fällt es Erik noch schwerer, sie zu vermeiden.

In der U-Bahn scheint er der einzige zu sein, der nicht auf sein Smartphone blickt. Der Verzicht auf Computerspielen und Smartphone ist gegen den Mainstream. Er benutzt ein einfaches Mobiltelefon.

Professionelle Hilfe in der Suchtklinik

Erik ist entschlossen, den Entzug zu schaffen und geht deshalb in eine Suchtklinik. Die stationäre Behandlung umfasst Gruppentherapie und Einzelgespräche. Der Aufenthalt dauert 10 Wochen. Beim Verlassen der Klinik ist Erik zufrieden.

„Ich musste mich mit dem auseinandersetzen. Seit ich das gemacht habe, habe ich das Gefühl ich brauch‘ den Computer nicht mehr. Aber klar, es ist nicht leicht. Ich muss lernen, ehrlicher zu mir zu sein.“

Erik, 20 Jahre, internetsüchtig

Sein Weg ist damit aber nicht zu Ende, er wird weiter an sich arbeiten. Er will sich noch besser kennen lernen. Dazu plant er, 2 Monate in ein buddhistisches Koster zu gehen. Eine große Herausforderung. Für die Zukunft kann er sich ein Studium zu Sozialarbeit vorstellen. Dass er die Schule abgebrochen hat ist deshalb nun ein Problem.

Der Computer soll aus dem Keller verschwinden. Die Einzelteile werden verschenkt, den Monitor bekommt sein bester Freund, das Zeichentablet eine Freundin.