Ohne geht nichts mehr. Vivian ist permanent online. Kurznachrichten, Verabredungen, Tratsch – alles dreht sich um Facebook. Vivian kennt niemanden, der nicht dabei ist. Doch das soziale Netzwerk wirkt auf sie wie eine Droge. Sie kommt kaum noch davon los.
Leider Offline 🙁
„Es gibt immer was lustiges, witziges, es gibt tolle Sachen und alles ist total einfach. Man hat Spaß daran. Nachher, wenn man eine Klausur schreibt, und merkt, oh ich bin spät dran, dann ist man genervt und sauer, weil man sich nicht mehr so unter Kontrolle hat.“
Vivian, angehende Studentin
Selbstdisziplin
Um ihr Abitur zu schaffen musste sie sich von Facebook abmelden. Bald, im Studium, wird es wieder hart, denn online warten über 700 Freunde. Mehr als 40 davon sind gleichzeitig online. Alle posten Nachrichten, Kommentare oder Bilder und liken, also bewerten, die der anderen.
„Dann guckt man jede Sekunde. Wenn man als Mädchen ein Bild postet dann schaut man im Sekundentakt: Hat das jemand gelikt?
Vivian, angehende Studentin
Ich kann gar nicht sagen, wie viel Zeit das genau ist – aber jede freie Minute ist man da. Es gibt keine Zeit wo ich mein Handy weglege, und sage, jetzt mach‘ ich mal gar nichts. Man ist immer da.“
Suchtgefahr durch Facebook und Instagram
Soziale Netzwerke können zur Sucht werden. Immer mehr junge Menschen sind gefährdet. Denn praktisch jeder Jugendliche in Deutschland hat mittlerweile Zugang zum Internet- sei es über Laptop, PC oder Smartphone. Internet wird die Sucht der Zukunft, warnen Experten.
Der Psychologe Hans-Jürgen Rumpf von der Universität Lübeck hat für das Bundesministerium für Gesundheit eine Studie über Internetsucht verfasst (PINTA).
„In der Gesamtbevölkerung finden wir 1 % der Bevölkerung, die eine vermutete Internet-Sucht aufweisen. In den jüngeren Altersgruppen geht es hoch bis auf 4 % bei den 14- bis 16-Jährigen.“
Dr. Hans-Jürgen Rumpf, Psychologe, Universität Lübeck
Vivian zeigt ein riskantes Verhalten, sie gilt als suchtgefährdet, hat sich aber noch unter Kontrolle. Wirklich internetsüchtig sind Menschen wie Peter. Der 23-Jährige hat schon eine stationäre Suchttherapie hinter sich. 4 Jahre lang hat er nur vor dem Laptop gesessen und gespielt. Bis zu 20 Stunden am Tag.
„Das ging so weit, dass ich fast nicht mehr aus dem Bett aufgestiegen bin. Vom Bett aus gespielt habe. Das Essen habe ich mir liefern lassen. Ich habe mich auch fast nicht mehr bewegt. Nicht mehr geduscht, mich nicht mehr um mich selbst gekümmert. Das war einfach Vernachlässigung des eigenen Körpers. Gestunken bis zum Himmel.“
Peter, ehemals Computerspiel-Süchtiger
Mädchen posten, Jungs spielen
Wie für chattende Mädchen birgt Facebook auch für Jungen eine hohe Suchtgefahr. Denn das Netzwerk bietet kostenlose Online-Spiele an. Das kann in eine Computerspiel-Sucht münden. Mit zahllosen Schwierigkeitsstufen, Levels genannt – eine zeitraubende Flucht aus der realen Welt.
„Es ging für mich darum, schnell ein Erfolgserlebnis zu haben. Irgendwelche Zwischenziele, Levels, zu erreichen. Ich habe etwas geschafft, juhu, ich bin toll.“
Peter, ehemals Computerspiel-Süchtiger
Jungen holen sich Bestätigung eher beim Spielen, beim Wettkampf. Internet-Sucht war daher lange Zeit überwiegend ein männliches Problem. Doch mit dem Siegeszug der sozialen Netzwerke haben weibliche Jugendliche mittlerweile aufgeholt. Facebook vereint vieles, was junge Mädchen suchen. Die Risiken hat Prof. Dr. Rainer Thomasius vom deutschen Zentrum für Suchtfragen untersucht.
„Facebook hat eine hohe Verführungskraft für Mädchen, die Probleme haben mit ihrem Selbstwert und ihrer Emotionsregulation. Sie möchten akzeptiert werden, sie möchten gelobt werden. Über die Kontakte im sozialen Netzwerk möchten sie etwas bekommen, was ihr Alltag nicht hergibt.“
Prof. Dr. Rainer Thomasius, deutsches Zentrum für Suchtfragen
Verfügbarkeit steigert Gefahr
Also nehmen viele das Internet einfach in den Alltag mit. Und steigern damit die Suchtgefahr, denn mit Smartphones und Tablets ist die Droge Internet jederzeit und überall verfügbar.
„Es wird zunehmend so sein, dass es keine klare Unterscheidung gibt: Bin ich jetzt online oder offline, bin ich im Internet oder im Real-Life. Dann ist es, auch schwerer zu sagen, eine Person ist zu lange online“.
Prof. Dr. Rainer Thomasius, deutsches Zentrum für Suchtfragen
Doch was heißt „zu lange online“? 30 Stunden pro Woche online oder in Computerspielen sind ein Grenzwert zur Sucht, sagen Experten. Bei Peter waren es deutlich mehr. Die Folgen: Absturz im Studium, Kontrollverlust. Peter machte eine typische Suchtkarriere.
„Wenn ich mal 1 oder 2 Tage nicht online war, hat sich meine Laune stark verschlechtert. Ich war sehr leicht reizbar und habe Andere angefahren, auch wenn ich nur normal angesprochen wurde.“
Peter, ehemals Computerspiel-Süchtiger
„Es gibt einen starken inneren Druck bei den Jugendlichen, die Medien auch bedienen zu können. Sobald die Eltern versuchen, das zu begrenzen, kommt es zuhause zu großen Konflikten – vergleichbar mit Entzugssymptomen.“
Prof. Dr. Rainer Thomasius, deutsches Zentrum für Suchtfragen
Erst durch eine 6-wöchige stationäre Suchttherapie kommt Peter wieder los vom Internet. Heute ist er nur noch 1 Stunde am Tag online. Er hat seinen Rechner so programmiert, dass er von alleine nach dieser Stunde abschaltet. Denn er ist trotz Suchttherapie rückfallgefährdet.