3sat Video: Das Computerspiel um Milliarden | makro

Gamer, Zocker und Nerds sind in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Deshalb kann sich die Computerspiel-Branche selbstbewusst präsentieren. Die Sendung Makro des Senders 3sat berichtet von der Gamescom und einer florierenden Industrie.

Leider Offline

Die Gamescom ist eine der wichtigsten Messen der Computerspiel-Industrie. Jedes Jahr steigt die Zahl der Aussteller und der Besucher. Spiele wie Pokemon Go, Candy Crush haben mittlerweile einen festen Platz in der Freizeitgestaltung von Jung und Alt. Das schlägt sich auch in den Umsatzzahlen der Hersteller wieder.

Im Spiel Shadow of Steam begleitet der Spieler 2 Kinder auf der Flucht. Eines muss eine düstere Unterwelt durchqueren, das andere kämpft sich parallel durch eine Stadt des Lichts. Es ist ein besonderes Spiel, nicht nur durch die grafische Gestaltung, die an Kino-Klassiker wie Metropolis erinnert.

Kleine deutsche Studios, kaum Förderung

Ohne Fördergelder wäre die Entwicklung nicht möglich gewesen. Hersteller von Shadow of Steam ist ein kleines deutsches Studio aus Köln: Monokel. Solche Studios sind die eigentlichen Entwickler, die ihr Spiel den Publishern (Spieleverlagen) für Vertrieb und Finanzierung anbieten. Aber bis es etwas vorzeigbares zum Anbieten gibt, ist es ein langer Weg. Und für diesen Teil der Entwicklung muss das Studio kräftig in Vorleistung gehen.

„Wenn ich ein Spiel mache ist es häufig so, dass um das zu zeigen was ich machen will, ich die Hälfte des Budgets schon am Anfang brauche. Das Verhältnis zwischen – wie viel muss ich machen, damit ich die Idee überhaupt zeigen kann – und – wie viel muss ich machen damit am Ende ein fertiges Spiel daraus wird – ist relativ schwierig zu finden.“

Daniel Wagner, Entwicklerstudio Monokel

Für die Förderung von Computerspielen sind in Deutschland die Länder zuständig. Dabei sind die Fördertöpfe eng bemessen. Über 520 deutsche Studios bemühen sich um Fördergelder von 4 Millionen Euro pro Jahr. Im Vergleich zur Filmbranche ist das sehr wenig. Diese kann sich aus einem Topf von 361 Millionen € im Jahr bedienen.

Filmförderung: 361 Mio. € vs. Computerspielförderung: 4 Mio. €

Deshalb fordern deutsche Computerspielstudios deutlich mehr Geld. Unter ihnen ist auch eine Koryphäe der Computerspielbranche, das Unternehmen Blue Byte. Seine Hits aus den „Die Siedler“ und „Anno“-Serien waren weltweite Erfolge.

„Wir wünschen uns in Deutschland eine Produktionsförderung, nicht rückzahlbar, die uns hilft auf der Kostenebene besser dazustehen. Gerade im Vergleich mit Ländern wie Großbritannien oder Frankreich, die im Rahmen von 25-30 % der Entwicklungskosten liegt.

Benedik Grindel, Entwicklerstudio Blue Byte

„Da sind wir in Deutschland ein bisschen das Schlusslicht, was einen Wettbewerbsnachteil darstellt und uns nicht ermöglicht, unsere kulturellen Geschichten in Videospielen weltweit zu erzählen.“

Felix Falk, Bundesverband Interaktive Unterhaltungssoftware e. V.

93 % des deutschen Umsatzes gehen ins Ausland

Besonders auffällig ist die Diskrepanz, wenn man deutsche Fördergelder mit Deutschlands Anteil am weltweiten Umsatzanteil vergleicht. Deutschland ist der fünftgrößte Absatzmarkt für Computerspiele weltweit. Allerdings gehen vom gesamten innerdeutschen Umsatz nur 7 % auch an deutsche Entwickler.

Weil die restlichen 93 % der Kaufkraft ins Ausland abgehen, ist auch die Politik aufmerksam geworden. So steht als Absichtserklärung im Wahlprogramm der CDU:

„Das Filmschaffen soll in Deutschland noch weiter gestärkt werden, Filme sind wertvoll als Wirtschaftsprodukt und als Kulturgut. Das gilt auch für Computerspiele.“

CSU/CDU Wahlprogramm

Auch im SPD Wahlprogramm heiĂźt es:

„Die Entwicklung innovativer und kulturell wertvoller Computer- und Videospiele wollen wir fördern, denn Computerspiele haben sich zu einem Kulturgut entwickelt.“

SPD Wahlprogramm

Einzelne Studios schaffen es unter diesen Bedingungen trotzdem, aufwändige Spiele mit künstlerischem Anspruch auch ohne Fördermittel zu produzieren. In der Breite bleibt es ohne Fördermittel extrem schwierig.

Bisher haben durchaus einzelne kleine Studios Förderungen erhalten. Der Schwerpunkt lag dabei auf innovative Projekte, z. B. das Buchstaben-Puzzle-Abenteuer Typoman eines kleinen Studios aus Bonn. Unter dem Strich lagen aber alle diese Förderungen nur im 5-stelligen Bereich. Das ist wenig Geld.

1 € Förderung bringt 1,8 € Steuereinnahmen und 8 € Investitionen

Branchenverbände argumentieren, dass Computerspielförderung nicht nur aus kulturellen Belangen gut ist. Auch aus wirtschaftlichen Aspekten ergeben die Geldspritzen Sinn.

 â€žWir sehen auch, dass die Förderung von Computerspielen fĂĽr jeden Finanzminister ein gutes Geschäft ist. In Frankreich sehen wir, dass jeder Fördereuro zusätzliche 1,8 € Steuereinnahmen und 8€ Investitionen bringt. Also kommt am Ende mehr Geld dabei raus, wenn man clever Games fördert.

Das Spiel Shadow of Steam hat insgesamt 71.500 € als Fördermittel erhalten. Ob die Rechnung auch für dieses Spiel aufgeht, zeigt sich, wenn das Spiel 2018 erscheint.

Förderung von Computerspiel-Sucht?

Das Engagement der Politik wird von der wachsenden Sorge um Computerspiel-Sucht gebremst. In Deutschland ist der Vorbehalt besonders groĂź. In den Medien bekommen Themen wie Computerspiel-, Internet-Sucht und Smartphone-Epidemie viel Aufmerksamkeit.

Ungeachtet dessen stiegen die Umsatzzahlen in den vergangenen Jahren. Erst 2016 stagnierten die Einnahmen in Deutschland erstmals.

Diagramm: Deutscher Videospielmarkt - Umsatz in Milliarden Dollar - Die Umsätze des deutschen Videospielmarkts stagnieren seit 2015.
Die Umsätze des deutschen Videospielmarkts stagnieren seit 2015.

Genau wie im Vorjahr wurden 2,9 Milliarden Euro erreicht, damit hinkt man international hinterher.

Andere Staaten unterstützen ihre Computerspiel-Industrien mit mehr Mitteln. Die größten Player sind USA, Großbritannien und Frankreich. Dann folgen Polen, Finnland und Kanada. Die Zahlen geben ihnen recht.

100 Milliarden $ Umsatz weltweit

Weltweit ist der Umsatz im Vergleich zum Vorjahr um +10 % gewachsen, vom deutschen Einbruch keine Spur. Zugpferd waren dabei mobile Spiele. Anbieter in Deutschland haben aber vor allem PC und Konsolenspiele entwickelt. Ein ungünstiger Fokus. Währenddessen hat der globale Videospielmarkt zum ersten Mal die 100 Milliarden geknackt.

Diagramm: Globaler Videospielmarkt - Umsatz in Milliarden Dollar - Die Umsätze des weltweiten Videospielmarkts steigen Jahr für Jahr.
Die Umsätze des weltweiten Videospielmarkts steigen Jahr für Jahr.

Die massenhafte Verbreitung des Smartphones hat den Videospielen noch einmal einen gewaltigen Anschub gegeben. Es erweitert sowohl die Altersgruppen als auch die Verfügbarkeit. Das Smartphone ist ein allgegenwärtiges Spielgerät.

Asien dominiert den Markt

Die Computerspiel-Industrie ist in Europa ein mächtiger Player in der Medienlandschaft worden. Spitzenreiter bleiben jedoch die asiatischen Länder. Mit einem Umsatzanteil von 47 % dominiert Asien den Markt. Den restlichen Teil des Kuchens teilen sich Usa und Kanada mit 25 %. Europa, Mittlerer Osten und Afrika kommen zusammen nur auf 24 %.

Diagramm: Umsatz mit Videospielen - Marktanteile global - Fast die Hälfte der Umsätze werden in Asien gemacht. Europa und Nordamerika teilen sich Platz 2.
Fast die Hälfte der Umsätze werden in Asien gemacht. Europa und Nordamerika teilen sich Platz 2.

Deshalb hat China die USA – ursprünglich das Mutterland der Videospiele – längst überholt. Die doppelten Wachstumsraten machen es zum Paradies für Spieleentwickler.

Free2Play lässt Kassen klingeln

Dabei greifen die Hersteller auf ein eher ungewöhnliches Vertriebsmodell zurück. Die vergangenen Jahre haben gezeigt, dass es von Vorteil ist, große Teile des Spiels gratis anzubieten. Im Free2Play-Modell, das etwa Fortnite, Dota 2 oder League of Legends zugrunde liegt, ist der Spieleinstieg gratis. So fällt es auch leichter, seinen Freundeskreis zu rekrutieren. Später wird der soziale Druck ein wichtiger Grund, mit dem Spielen nicht aufzuhören.

Das Spiel League of Legends hat dieses Free2Play-Modell perfektioniert. Kein Spieler muss für League of Legends bezahlen, es ist gratis spielbar. Die Entwickler verdienen später, wenn sich die Spieler über Mikrotransaktionen kleine Ausrüstungsgegenstände für ihre Spielfigur kaufen. Diese Items kosten meist 5-20€ und verändern das Aussehen der Figur oder des Spiel-Interfaces.

„Man sieht seinen Charakter anders, er bekommt ein anderes Outfit. Es gibt auch andere Effekte, eine andere Stimme. Sie sind halt teuer, das ist das Problem.“

Nazir, Gamer

659 Mio. € durch Transaktionen in Deutschland

Bei mehreren zig Millionen Menschen entstehen aus den vielen kleinen Mikrotransaktionen enorme Einnahmen. In Deutschland wurden letztes Jahr mit den virtuellen RĂĽstungen, Waffen, Fahrzeugen und Avataren 659 Millionen Euro umgesetzt.

„Wenn man einmal was kauft, hat man das Verlangen, immer noch mehr zu kaufen.“

Nazir, Gamer

Deshalb sind Free2Play-Spiele fĂĽr die Computerspiel-Industrie das Modell der Zukunft.

„Das Modell hat sich die Computerspiel-Branche wohl von den Herstellern von Rasierklingen abgeschaut. Dort bezahlt man auch nicht für den Rasierer, sondern für die Verbrauchsgüter – die Rasierklingen. So ist es auch bei Free2Play-Spielen. Dort zahlt man für Güter, die man während des Spiels verbraucht.“

Maic Masuch, Medieninformatiker

Die boomende Branche lockt deshalb auch immer mehr Unternehmen an. Die Auswahl an Spielen ist riesig und wächst jeden Monat weiter.

Der Kampf um die Freizeit der Spieler

Das führt zu einem harten Wettbewerb der Entwickler um die Kunden. Schließlich ist das nächste Free2Play-Spiel immer nur einen Mausklick entfernt. Auch andere Freizeitaktivitäten müssen diesen Kampf bestehen.

„Solche Spiele spielt man täglich über einen langen Zeitraum. Deshalb konkurrieren sie um meine Aufmerksamkeit mit allem Anderen, was ich mache. Ich kann deshalb keine zwei oder drei von diesen Spielen spielen, kann mir auch andere Aktivitäten nicht mehr leisten, weil ich einen großen Teil meiner Aufmerksamkeit für diese Spiele aufwende.“

Maic Masuch, Medieninformatiker

Deshalb bedienen sich die Entwickler mittlerweile gezielt an Erkenntnissen der Werbe- und Konsumentenpsychologie. Es gibt Tricks, die Spieler an der Stange zu halten.

„Der Einstieg ist besonders leicht. Ich kann viel und schnell Sachen bauen, kann schnell erste Gegner besiegen. Ab einer bestimmten Schwelle merke ich dann: Ich komme nicht weiter. Dann mag ich das Spiel aber vielleicht schon so gern, dass ich überlege, Geld zu investieren, um es weiterzuspielen.“

Maic Masuch, Medieninformatiker

Die meisten spielen Free2Play gratis

Während die meisten Spieler ein Free2Play-Spiel über die gesamte Dauer tatsächlich gratis spielen, finanziert eine Minderheit mit ihren Mikrotransaktionen das Spiel für alle. Genau auf diese Spieler schneidern die Hersteller ihr Spiel maßgerecht zu. Sie nutzen dazu Timing und Gestaltung der Angebote, zielgenau bis auf die individuellen Ansprüche der einzelnen Spieler.

„In der Regel haben die Entwickler genaue Daten, wer wann, was zuletzt gekauft hat. Und wann er das nächste Update bräuchte. Das kommt dann genau zu dem Zeitpunkt, wo ich sowieso überlege, soll ich etwas neues kaufen. Wenn dann das Angebot vielleicht auch noch ein bisschen reduziert ist, dann schnappt man es sich natürlich.“

Maic Masuch, Medieninformatiker

Es ist wenig überraschend, dass die Branche an den vermeintlich kostenlosen Spielen Geld verdienen will. So faszinierend Computerspiele auch sein mögen, in erster Linie bleiben sie ein Geschäft.

Die Wissenschaft um Free2Play: Medienökonomie

Die Wissenschaft um Ertragsmodelle in der Computerspiel-Industrie nennt sich Medienökonomie. Diesen Forschungsschwerpunkt gibt es beispielsweise an der Universität Paderborn. Prof. Jörg Müller-Lietzkow beschäftigt sich speziell mit Computerspielen und deren wirtschaftlichen Zahlen. Er sieht den Wandel von Bezahlmodellen hin zu Free2Play kritisch, vor allem für kleinere Studios.

„Zum einen ist das Ertragsmodell bei Free2Play relativ starr. Weil es zahlen relativ wenige für viele. Viele spielen ja tatsächlich umsonst. Trotzdem muss es sich irgendwie ja rechnen. Das heißt, die Entwickler müssen Geld verdienen. Die Wenige zahlen also viel, manchmal sehr viel.“

Prof. Jörg Müller-Lietzkow, Universität Paderborn

Free2Play als Gefahr für die Qualität

FĂĽr die Entwicklerstudios ist die Kalkulationsbasis bei Free2Play sehr unsicher. Es ist schwer vorherzusagen, welchen Erfolg ein Spiel am Markt haben wird.

„Wenn Sie genau wissen, was sie erlösen können, können sie auch viel besser Qualität produzieren. Umgekehrt bedeutet das, dass die Free2Play-Entwickler mit geringeren Budgets arbeiten – was mittelfristig natürlich zu einer Absenkung der Qualität der Spiele führen kann.“

Prof. Jörg Müller-Lietzkow, Universität Paderborn

FĂĽr Spieler ist es auch schwerer vorherzusehen, wie viel sie am Ende fĂĽr ein Spiel bezahlen werden. Ein Bezahlmodell, bei dem am Anfang ein fester Preis bezahlt wird, ist ĂĽberschaubar. Bei Abonnements und besonders Mikrotransaktionen verliert man schnell den Ăśberblick.

„Das ist so, als ob sie sich jeden Tag einen Espresso kaufen. Sie merken nicht, dass sie über die Zeit relativ viel Geld ausgeben. Und dann geben sie meistens sogar mehr Geld aus, als wenn sie ein Spiel gekauft hätten, z. B. für eine Konsole, wo sie einen Festpreis haben.“

Prof. Jörg Müller-Lietzkow, Universität Paderborn

Soll der Staat Computerspiel-Sucht unterstĂĽtzen?

Die Entwicklung hin zu Free2Play-Spielen hat die Suchtgefahr von Computerspielen noch einmal vergrößert. Deshalb argumentieren Gegner, dass der Staat hier nicht noch zusätzlich als Förderer auftreten sollte. Der Professor meint hierzu diplomatisch:

„Der Ruf nach staatlicher Förderung zielt nicht darauf ab, Süchte zu fördern. Es geht in erster Linie darum, deutsche Entwicklerstudios zu stützen, und das sind meistens kleine Unternehmen, Start-ups, die nicht unbedingt im Free2Play-Markt starten. Die brauchen diese Unterstützung tatsächlich, um zu existieren. Das kann man unterstützen.

Prof. Jörg Müller-Lietzkow, Universität Paderborn

Wenn es bei Free2Play-Spielen vor allem darum geht, zur Monetarisierung Druck auf den Spieler auszuüben – und solche Spiele gibt es – sollte man fein differenzieren.“

Deutsche Entwickler fallen zurĂĽck

Im internationalen Vergleich fällt Deutschland wegen seiner geringen Förderung zurück. Sie müssen über 60 % ihrer finanziellen Mittel selbst aufbringen. Dazu bemühen sie Gewinne aus bisherigen Spielen – vor allem aber Rücklagen und unter Einsatz persönlichem Risiko. Mit dem Budget großer Player können sie deshalb nicht mithalten. Deshalb gibt es auch kaum große Titel aus Deutschland.

Länder wie Kanada fördern ihre einheimischen Entwickler massiv. Die Dokumentation „Videospiele – Revolution einer Generation?“ zeigt, dass sich Montreal mit Steuervergünstigungen für die Computerspiel-Industrie zu einem Zentrum für Videospiele entwickelt hat. Internationale Game-Entwickler wie Ubisoft, Electronic Arts und Warner Brothers haben sich angesiedelt und investiert. Die Fachleute rekrutieren sie aus der ganzen Welt.

70 Mio. $ für Assassin’s Creed

Ubisoft ist ein solches Vorzeigeunternehmen. Weltweit die Nummer 3 auf dem Markt ist das Unternehmen sich seiner Bedeutung bewusst. Das zeigt sich an den Sicherheitsvorkehrungen. Die Räume sind mehrfach durch versperrte Türen abgesichert.

“Die Produktionen kosten mehrere Millionen Dollars, ein Informationsleak könnte fatale Folgen haben.“

Jean Guesdon, Kreativdirektor Ubisoft

Assassin’s Creed ist eine weltbekannte Marke, es ist eines der meistverkauften Spiele der vergangenen Zeit. Die Entwicklung des aktuellen Titels hat 70 Millionen Dollar gekostet. Dem gegenüber stehen 400 Millionen Dollar, die die Lizenz bis jetzt eingebracht hat. Um den Ansprüchen der Spieler gerecht zu werden wird enormer Aufwand betrieben.

Professionell wie Hollywood

Kleinste grafische Details wie Eisendrähte an Häusern werden sorgfältig modelliert. Wetter und Tagesrhythmus erzeugen gezielt Stimmung, schaffen die fiktive Welt des 18. Jahrhunderts. Die Computerspielentwicklung hat sich bei Hollywood alle Tricks abgesehen. So spielt auch der Ton eine wichtige Rolle für das Endresultat.

„Assassin’s Creed ist etwas Besonderes. Für einen Kinofilm arbeitet man etwa 15 Tage an den Soundeffekten. Ein Actionfilm benötigt ein oder zwei Monate. Für Assassin’s Creed waren es 4 Monate. Ein Computerspiel hat viel mehr Inhalte als ein Spielfilm. “

Tchae Measroch, Sound Designer Ubisoft

An einem Blockbuster wie Assassin’s Creed arbeiten fast 700 Mitarbeiter ĂĽber 2 Jahre lang. Während dieser Zeit mĂĽssen sich alle Beteiligten zum Stillschweigen verpflichten. Das ist ĂĽblich in der Branche. Denn die Handlung der Geschichte soll nicht nach auĂźen dringen.

Chancen fĂĽr Hardwarehersteller

Mit den Branchenriesen kann man in Deutschland nicht mithalten. Deutsche Unternehmen sind kleiner, mittelständischer. Ein Beispiel ist das Unternehmen Roccat, das eher auf E-Sports setzt.

Für E-Sportler ist Gaming kein Spiel. Es ist ein lukratives Geschäft. Die Preisgelder haben sich in den letzten Jahren stark entwickelt. Der Gewinn der League of Legends-Weltmeisterschaft macht ein paar Spieler zu Millionären.

League of Legends, Counterstrike, Starcraft 2 sind komplexe und schnelle Spiele. Durch die Wettkämpfe sind auch die Ansprüche an die Hardware gestiegen. Jeder Mausklick und jeder Tastenanschlag muss sitzen.

Für diese gestiegenen Ansprüche entwickelt Roccat die passende Hardware. Rene Korte, Gründer von Roccat, kennt die Branche aus eigener Erfahrung. Er war früher selbst Profispieler und damals mit der Qualität der Mäuse immer unzufrieden. Auch das Aussehen der Hardware war ihm ein Dorn im Auge. Aus den hässlichen Arbeitsmitteln designt er mit seiner Firma ansprechendere Alternativen.

Ein kleiner deutscher Hersteller gegen Microsoft und Logitech

Heute fertigt Roccat Prototypen aus Knetmasse, sorgfältig geformt, damit die Maus perfekt in der Hand liegt. Von Idee und Entwicklung bis zum fertigen Produkt kann es zwei Jahre dauern. Die speziellen Wünsche der Spieler, Lasersensor, Gewichtssyteme, 4d-Mausrad gehen über die Bedürfnisse der normalen Anwender weit hinaus. Roccat kann sie berücksichtigen.

Branchenkenner erklärten ihn bei der Gründung seines Unternehmens für verrückt. Trotzdem nahm er den Kampf gegen die Platzhirsche Logitech oder Microsoft auf.

„Natürlich haben viele gesagt: Was machst du da, das ist Schwachsinn – wenn die Gas geben, hast du keine Chance mehr. Ich meine, es gibt Menschen, die lassen sich von so was unterkriegen und es gibt andere, die motiviert so was. Und mich hat’s einfach motiviert.“

René Korte, Gründer von Roccat

Mittlerweile sind die ehemaligen Zweifler still geworden. Die Umsatzzahlen weisen 2016 26 Millionen Euro aus. Das Risiko hat sich gelohnt. Roccat ist heute auf 100 Mitarbeiter angewachsen und verkauft seine Produkte weltweit in mehr als 50 Länder.

Sponsoring im E-Sport

Roccat engagiert sich auch im E-Sport. Bei League of Legends tritt Roccat mit einem eigenen Team an. So bleibt das Unternehmen präsent. In den Hallen stehen Fans Schlange, um den Teammitgliedern einmal die Hand zu schütteln. Der Saal ist ausverkauft, das hilft der Bekanntheit der Marke. Zusätzlich verfolgen massenhaft Zuschauer die Spiele im Netz.

„Im Vergleich zum Fußballverein St. Pauli, der bei einem Spiel eine Reichweite von vielleicht 250.000 Zuschauern hat, schauen bei unserem League of Legends-Spiel 500.000 zu. Zahlenmäßig ist der E-Sport also schon weiter als der Fußball.“

René Korte, Gründer von Roccat

Ist E-Sport echter Sport?

Als echte Sportart ist E-Sport in Deutschland noch nicht anerkannt. Verbände und Institutionen wehren sich dagegen mit Händen und Füßen. Sie wollen vor Fördermittel des Staates und der Länder nicht mit dem neuen Konkurrenten teilen.

„Wenn das Innenministerium den E-Sport als Sportart anerkennen würde, dann könnte man andere Fördermittel bekommen, bis hin zu einem Bundestrainer, Trainingscamps, Nationalmannschaften. Diesen ganzen Sportbereich aufzubauen würde natürlich viel Geld kosten. Der E-Sport würde davon profitieren. Die Qualifikation für eine Weltmeisterschaft ist jetzt noch Privatvergnügen und sponsorfinanziert, dann wäre es Aufgabe des Staates hier wettbewerbsfähig zu werden.“

René Korte, Gründer von Roccat

Auch Sponsoren sind noch zögerlich mit Investitionen. Das hängt mit der deutschen Mentalität zu Investitionen zusammen.

„Das Thema E-Sports ist natürlich ein Wagnis. Das ist in Deutschland ein Problem, Wagnis will man nicht. Man will immer Sicherheit. In anderen Ländern sieht man: Wenn ich als erster da bin, habe ich auch einen Vorsprung. Die Diskrepanz merken wir.“

René Korte, Gründer von Roccat

Schalke, Wolfsburg und Red Bull legen vor

Dabei gibt es zahlreiche Argumente, E-Sport auch mit Anerkennung zu wĂĽrdigen. Auge-Hand-Koordination wie beim BogenschieĂźen, Konzentration wie im Schach. Physische Anstrengung bei stundenlangen Matches. Hinderlich ist, dass es schwierig ist, sich auf ein bestimmtes Spiel zu einigen. Zur Zeit ziehen League of Legends, Starcraft, Fortnite und Counterstrike am meisten E-Sportler und Publikum an.

Das kann sich jedoch schnell ändern. Einige Fußballvereine haben den Schritt schon geschafft und erste E-Sport-Mannschaften aufgebaut. Sogar einen kleinen Transfermarkt gibt es, in dem Profispieler ge- und verkauft werden. Ob sich das Investment für Wolfsburg, Schalke und Red Bull lohnt bleibt abzuwarten.