Präsentation an der Tagung experimentell arbeitender Psychologen
Kaser, Armin, Weber, Barbara, Pinggera, Jakob & Zugal, Stefan (2010). Handlungsorientierung bei der Planung von Softwareprojekten. In C. Frings, C., Mecklinger, A., Wentura, D. & Zimmer, H. (Hrsg.), Beiträge zur 52. Tagung experimentell arbeitender Psychologen, S. 253, Lengerich: Pabst.
Transkript:
Einleitung
Mangelhafte Planung von Softwareprojekten ist einer der Gründe, warum 43% aller Projekte den veranschlagten Zeit- und Kostenrahmen sprengen und 23% vor der Fertigstellung abgebrochen werden (The Standish Group, 1995).
Besonders neuere Methoden der Softwareentwicklung wie „Extreme Pro-gramming” (Beck, 2003) stellen nicht nur hohe fachliche Anforderungen an den Entwickler, sondern fordern in besonderem Maße auch Planungs- und Problemlösefähigkeiten.
Ziel der Studie
Mit dieser Studie wollten wir feststellen, ob das Persönlichkeitsmerkmal „Handlungsorientierung vs. Lageorientierung” nach Kuhl (2010) Einfluss auf das Ergebnis eines Planungsprozesses hat.
Handlungsorientierung
Handlungsorientierte Menschen sind dadurch gekennzeichnet, dass sie auf die Umsetzung des Intendierten in Handlungen drängen. Sie sind fähig, ihre Entscheidungen in Handlungen umzusetzen und diese auch unter widrigen Umständen zu realisieren (Wiedmann, 2006). Dabei sind sie sich ihrer Ziele bewusst und verfolgen diese selbstgesteuert und mit flexiblen Mitteln.
Lageorientierung
Von Lageorientierung wird hingegen gesprochen, wenn Menschen bei Missgeschicken ihren Gedanken nachhängen, die sich auf gegenwärtige, zukünftige oder vergangene Situationen beziehen. Lageorientierung ist durch Zögern, Passivität, durch die Tendenz zum Handlungsabbruch und einer verminderten Effizienz des volitionalen Systems gekennzeichnet. Lageorientierte Menschen verweilen gedanklich zu lang in vergangenen, aktuellen oder künftigen Situationen, ohne einen Handlungsplan zur Änderung in Angriff zu nehmen.
Methoden
Den Einfluss des Persönlichkeitsmerkmals „Handlungs- vs. Lageorientierung” untersuchten wir mit N=33 Versuchspersonen, die zuerst ein Planspiel mit unserem selbstentwickelten Programm „Alaska Simulator” absolvierten und anschließend den Fragebogen HAKEMP-90 nach Kuhl (o.J.) ausfüllten.
Die Stichprobe der Untersuchung bestand aus 18 Personen (9m/9w, Durchschnittsalter 28.2 Jahre, s=14.9)
Alaska Simulator Der Alaska Simulator stellt ein selbst entwickeltes Softwaretool dar, das entwickelt wurde, um Planungs- und Problemlöseverhalten zu simulieren und zu analysieren. Dabei planen die Versuchsteilnehmer softwaregestützt eine Reise durch Alaska, wobei sie versuchen, gegen widrige Umstände möglichst viele Sehenswürdigkeiten in ihrem Reiseplan unterzubringen. Das Tool unterstützt neben planorientierten auch flexiblere, agile Planungsstrategien, wie sie auch von „Extreme Programming” gefordert werden (Bleek & Wolf, 2008).
Hypothese
Unsere Hypothese lautete:
Das Persönlichkeitsmerkmal „Handlungs- vs. Lageorientierung” hat einen Einfluss auf die erreichte Punktezahl beim Planspiel „Alaska Simulator“
Ergebnisse
Signifikanten Einfluss auf den Erfolg im Planspiel zeigte die Skala „Handlungsorientierung bei der Handlungsplanung” (r5=.45, p<.05) und die Zeit, die für die Planung aufgewendet wurde (rs=.383; p<.05). Keinen Einfluss zeigten hingegen die Variablen „Handlungsorientierung in der Tätigkeitsausführung” und „Handlungsorientierung nach Misserfolg”. Die erreichte Punktezahl war des Weiteren auch unabhängig vom Alter, dem Geschlecht und der Schulbildung der Teilnehmer.
Diskussion
Die Analogie des Planspiels zu Prozessen in der Softwareentwicklung lässt uns zu dem Schluss kommen, dass das Persönlichkeitsmerkmal „Handlungsorientierung vs. Lageorientierung” ein wichtiger und für den Erfolg ausschlaggebender Faktor ist.
Pluspunkt Handlungsorientierung Erklären lässt sich dieser Zusammenhang vor allem dadurch, dass sich eine ausgewogene und gleichmäßige Verteilung der Aufmerksamkeit auf die vier Aspekte „Ist-Zustand”, „Soll-Zustand”, „Diskrepanz zwischen Ist- und Soll-Zustand” und „zur Verfügung stehende Handlungsmöglichkeiten” vorteilhaft auf den Entscheidungsfindungsprozess auswirkt (Herkner, 2004).
Minuspunkt Lageorientierung Dem gegenüber ist Lageorientierung ein hinderlicher Faktor, denn die gründlichere Vorgehensweise und ausführlichere Betrachtung von möglichen Lösungsmöglichkeiten, die Lageorientierten zugeschrieben werden, scheinen in diesem Kontext die Nachteile nicht kompensieren zu können. Die Neigung zu Zögern und Passivität hat also nicht erst während der eigentlichen Handlung, sondern bereits in der Planungsphase negative Auswirkungen.
Nicht unerwähnt bleiben soll, dass empirische Studien auch gezeigt haben, dass ein hoher Wert auf der HOP-Skala die Wahrscheinlichkeit, dass geplante Handlungen nach erfolgreicher Planung schließlich tatsächlich umgesetzt werden, erhöht (Kuhl, 1994).
Literatur
Beck, K. (2003). Extreme programming explained: Embrace change (8. Aufl.). Boston: Addison-Wesley.
Bleek, W.-G. & Wolf, H. (2008). Agile Softwareentwicklung: Werte, Konzepte und Methoden (1. Aufl.). it-agile. Heidelberg: dpunkt.Verl.
Herkner, W. (2004). Lehrbuch Sozialpsychologie (2., unveränd. Aufl., 2., Nachdr.). Aus dem Programm HuberPsychologie-Lehrbuch. Bern: Huber.
Kuhl, .1. (1994). Volition and personality: Action versus state orientation. Seattle: Hogrefe & Huber.
Kuhl, J. (2010). Lehrbuch der Persönlichkeitspsychologie: Motivation, Emotion und Selbststeuerung. Göttingen: Hogrefe.
The Standish Group. (1995). Chaos Report. Verfügbar unter:
Wiedmann, S. (2006). Erfolgsfaktoren der Mitarbeiterführung: Interdisziplinäres Metamodell zur strukturierten Anwendung einsatzfähiger Führungsinstrumente (1. Aufl.). Wiesbaden: Dt. Univ.-Verl