Machen Smartphone und Tablet meine Kinder digital fit für die Zukunft? Nein.

Eltern glauben oft, dass ein besonders frühes Heranführen an Computer und Smartphone sinnvoll sei. Sie haben Angst, dass ihre Kinder den Anschluss an die digitale Welt der Zukunft verpassen. Ein Irrglaube.

Zukunft Digitale Bildung Schule

Wann immer neue technische Entwicklungen auf das Bildungssystem treffen kommt es zu großen Erwartungen, Hoffnungen und Versprechungen. So kamen seit 1920 nacheinander das Radio, das Fernsehen, das Tonbandgerät, das Sprachlabor, das Kino, Videofilme und schließlich Computer und Internet in die Klassenzimmer.

Und auch dieses Mal gibt es keine unabhängigen wissenschaftlichen Studien, die zweifelsfrei belegen, dass das Lernen durch die Medien erleichtert oder verbessert wird (Spitzer, S.83).

Paradox: Informationstechnologie behindert das Lernen

Wenn man die Leistung von Schülern beim Lernen mit und ohne Computer misst, schneiden die Kinder ohne Computer besser ab (Wenglinsky, 1998). Wenn Schulen nach einer Einführung von Computern in das Klassenzimmer wieder untersucht wurden, stellte man eine Verschlechterung der Leistungen vor allem im Fach Mathematik fest (Angrist & Lavy 2002).

Auch Zusammenfassungen mehrerer Studien kommen zu diesem Ergebnis (Cuban 1993, Oppenheimer 1997, Kirkpatrick & Cuban 1998, Borghans & Weel 2004). Manchmal finden die Wissenschaftler in ihren Untersuchungen zumindest keine Verschlechterungen – dass die Computer im Klassenzimmer zu Verbesserungen führen schließen sie aber reihum aus (Bohrman & Rachuba 2001, Rouse & Krueger, 2004).

Gescheiterte Projekte

Immer wieder gibt es gut gemeinte Projekte, in denen Kindern Laptops geschenkt werden, vermeintlich um einer digitalen Kluft zwischen Arm und Reich entgegenzuwirken.

So hat etwa 2008 das rumänische Kultusministerium 35.000 Gutscheine für Laptops an sozial schwache Familien ausgegeben. Als man Jahre später jene Kinder, die einen Computer bekommen hatten mit den Kindern ohne Computer verglich zeigte sich, dass ihre Leistungen in Mathematik im Vergleich schlechter geworden waren. Wenig überraschend hatte sie ihren Laptop vor allem für Spiele genutzt (Malamud & Pop-Eleches, 2010).

Nicht die Schuld der Lehrer oder der Geräte

Weil die Bedienung und der Einbau der neuen Medien in den Unterricht schwierig sind, wird oft vermutet, dass fehlende finanzielle Mittel, technische Mängel der Geräte, Widerstand und mangelnde Medienkompetenz der Lehrer oder Schulbürokratie den Erfolg verhindert haben.

Es gibt aber auch extrem gut ausgestattete Schulversuche unter idealen Bedingungen etwa in Texas von 2004 bis 2007 mit einem Budget von 20 Mio. Dollar, speziell betreuten Lehrern, technischem Support und pädagogischen Konzepten die ebenfalls keine positiven Ergebnisse brachten (Warschauer 2006).

Lernverhinderungsmaschinen

Mit den Daten aus der großen europäischen PISA-Studie konnten die Wissenschaftler Fuchs und Woessmann (2004) nachweisen, dass die reine Verfügbarkeit eines Computers zuhause zu schlechteren Leistungen in Rechnen und Lesen führt.

Nur der Zusammenhang zwischen Computernutzung und Schulleistung beschreibt eine kleine umgekehrte u-Form. Schüler, die selten (mehrmals im Monat) einen Computer benutzten sind am besten in der Schule, gefolgt von denen, die nie einen Computer benutzen. Abgehängt ist die Gruppe, die häufig einen Computer (mehrmals pro Woche) benutzt.

Die Wissenschaftler schließen daraus:

„Das bloße Vorhandensein von Computern zu Hause führt zunächst einmal dazu, dass die Kinder Computerspiele spielen.

Dies hält sie vom Lernen ab und wirkt sich negativ auf den Schulerfolg aus… und das Gleiche zeigt sich auch für den Internetgebrauch in der Schule“.

Selbst die Schüler und Studenten wählen instinktiv das bessere Medium – Papier und Kugelschreiber zum handschriftlichen Mitschreiben anstelle des Laptops, ein gedrucktes Buch statt Bildschirm (Woody et al. 2010, S. 945).

Wenn die Begeisterung für das E-Learning nachlässt, wird es auch dieses Mal wieder jemanden wie Clifford Stol in “Silicon Snake Oil” geben, der zu den Videos im Unterricht im Nachhinein sagt:

 “Wir liebten sie, denn wir brauchten für eine Stunde nicht zu denken. Die Lehrer liebten sie, den sie brauchten für eine Stunde lang keinen Unterricht zu halten, die Eltern liebten sie, weil es anzeigte, dass ihre Schule technisch auf der Höhe war. Aber gelernt haben wir nichts.”

Fazit

E-Learning konnte und wird auch in Zukunft die hohen Erwartungen nicht erfüllen können. Laptops in Klassenzimmer und Hörsälen tragen nicht zum besseren Lernen bei, viele wissenschaftliche Studien und große Schulversuche belegen das.

Eltern müssen nicht Angst haben, ihr Kind könnte den digitalen Anschluss verpassen, wenn im Kinderzimmer kein PC mit Internetanschluss steht oder die Schule weiter auf traditionelle Methoden setzt.

Quellen

Angrist, J., Lavy, V. (2002) New evidence on classroom computers and pupil learning. Economic Journal 112: 735-765.

Borghans, L., Weel, B. (2004) Are computer skills the new basic skills? The returns to computer, writing and math. Britain. Labour Economics 11: 85-98.

Borman, G. D., Rachuba, L. T. (2001) Evaluation oft he Scientific Learning Corporations’s FastForWord Computer-Based Training Program in the Baltimore City Public Schools. Report Prepared fort he Abell Foundation.

Cuban, L. (1993) Computers Meet Classroom: Classroom Winds. Teachers College Record 95: 185-210

Fuchs, T., Woessmann, L. (2004) Computers and student learning: bivariate and multivariate evidence on the availability and use of computers at home and at scool. CESifo Working Paper 2004; 1321.

Kirkpatrick, H., Cuban, L. (1998) Computers Make Kids Smarter – Right? Technos Quarterly 7 (2)

Malamud, O., Pop-Eleches, C. (2010) Home computer use and the development of human capital. NBER Working Papers 15814, National Bureau of Economic Research, Inc.

Oppenheimer, T. (1997) The Computer Delusion. Atlantic Monthly 280 (1), July.

Rouse, C. E., Krueger, A. B., Markman L. (2004) Putting Computerized Instrucion tot he Test: A Randomized Evaluation of a „Sientifically-based“ Reading Program. NBER Working Paper 10315. Cambridge, MA: National Bureau of Economic Research

Spitzer, M. (2012) Digitale Demenz: Wie wir uns und unsere Kinder um den Verstand bringen. Droemer.

Stoll, C. (1996) Silicon Snake Oil: Second Thoughts on the Information Highway. Anchor Books,

Warschauer, M. (2006) Laptops and Literacy: Learning in the Wireless Classroom. Teachers College Press.

Wenglinsky, H. (1998) Does It Compute? The Relationship Between Educational Technology and Achievement in Matematics. Princeton, NJ: Policy Information Center, Research Division, Education Testing Service.

Woody, W. D., Daniel, D. B., Baker, C. A. (2010) E-Books or textbooks: Students prefer textbooks. Computers & Education 55: 945-948.