Therapien bei Computerspiel-Sucht

Psychologische Behandlung und Psychotherapie von Computerspiel-Sucht verwenden meist Techniken aus Verhaltenstherapie und Familientherapie. Neben Einzelsitzungen sind auch Gruppentherapien möglich. Am meisten Studien und Belege gibt es dabei für die verhaltenstherapeutischen Ansätze.

Behandlung von Computerspiel-Sucht Gespräch Eltern

In der heutigen psychologischen Behandlung und Psychotherapie ist es üblich, sich aus dem riesigen Vorrat an psychotherapeutischen Techniken jene herauszusuchen, die zum aktuellen Problem und zum Betroffenen individuell am besten passt.

In vielen Studien und Praxisjahren haben sich die Techniken der Verhaltenstherapie bei Sucht nach Videospielen als besonders effektiv erwiesen. Bei Kindern und Jugendlichen greift man oft zusätzlich auf Elemente der Familientherapie zurück, weil Eltern, Geschwister und das Familienklima auch noch Einfluss auf die Situation haben.

Verhaltenstherapie

Die Grundidee moderner, kognitiver Verhaltenstherapie ist, unpassende Gedanken und Überzeugungen zu verändern oder abzulegen. Diese Überzeugungen können viele Bereiche betreffen: den eigenen Körper, die Umgebung, das Verhältnis zu anderen u. v. m.

Eine Verhaltenstherapie zu Computerspiel-Sucht sollte diese Punkte beinhalten:

a) Psychoedukation

Die Betroffenen lernen sich und ihre Erkrankung besser kennen: Symptome, Ursache, Folgen und Zusammenhänge. Es hilft, konkrete Informationen zu bekommen. Selbst schlechte Nachrichten können oft angenehmer sein als Ungewissheit.

Dr. Google

Leider passiert es seit ein paar Jahren häufig, dass Betroffene oder besorgte Angehörige im Internet völlig falsche Informationen finden. Verzichten Sie lieber darauf und suchen Sie sich einen kompetenten Ansprechpartner. Das ist oft der Hausarzt, der Sie ja schon kennt.

b) Lernen, die Auslöser von Suchtverhalten zu erkennen

Süchte stillen immer Bedürfnisse. Diese Bedürfnisse zu erkennen macht es einfacher, gegenzusteuern. Es ist dann auch möglich, sich einen Notfallplan zurechtzulegen.

c) Erlernen von Strategien, um mit schlechter Stimmung und Rückschlägen umzugehen

Computerspielen wird häufig als Selbstmedikation gegen depressive Symptome eingesetzt – Traurigkeit, schlechte Stimmung und endloses Grübeln. Wenn dagegen bessere Bewältigungsstrategien gelernt werden, kann ein Rückfall vermieden werden. Wen kann ich im Notfall anrufen? Womit kann ich mich ablenken?

d) Bessere Selbst- und Fremdbeobachtung erlernen

So kann der Betroffene kritische Situationen schneller erkennen. Es gelingt ihm, besser vorzusorgen, damit er gar nicht erst in diese Situation kommt.

e) Lernen, mit der freien Zeit besser umzugehen

Wer Tagesablauf und Freizeit plant, vermeidet Langeweile und depressives Grübeln. Außerdem wird der Tag gefüllt mit Freude und positiven Erlebnissen.

In einer Studie mit 114 Internet- und Computersüchtigen gelang es den meisten Süchtigen schon nach 8 Sitzungen, ihre Sucht in den nächsten 6 Monaten besser zu kontrollieren.

Familientherapie

Eine Sucht ist immer in ein Netz aus Beziehungen eingebettet. Die Familientherapie konzentriert sich darauf, dieses System von Familie, Kommunikation und Umgang mit dem Süchtigen zu verändern. Das System kann weiter auch Schule und Lehrer oder Freunde und Clique betrachten.

Arbeit an der Familie des Süchtigen

Die Familientherapie geht davon aus, dass jede Familie ein System von Teilen ist. Wenn sich ein einzelnes Teil ändert, verändert das automatisch auch alle anderen Teile.

Das passiert auch, wenn ein Familienmitglied süchtig wird – es gibt Konsequenzen für alle anderen: Geschwister bekommen weniger Aufmerksamkeit, Streit und Konflikte beherrschen den Familienalltag. Lügen und Geheimnisse treiben die Mitglieder auseinander.

Der Versuch, Computerspiel-Sucht auf der Ebene der Familie zu lösen

Bei der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen hat sich Familientherapie bewährt. Bei diesem systemischen Ansatz wird geschaut, wie Familie, Freundeskreis und Gesellschaft die Sucht entstehen lassen und aufrechterhalten.

Das Erwachsenwerden ist auch unabhängig von Computer, Konsole, Smartphone und PC eine Herausforderung. Wenn Kinder und Jugendliche exzessiv spielen, könnte das eine (schlechte) Strategie zur Bewältigung dieser Herausforderung sein. Dann ist es sinnvoll, nachzusehen, welche Rolle das Familienklima spielt.

Computerspielende Freunde und Drogenmissbrauch der Eltern

Die größten Einflüsse auf das Spielverhalten haben nach Ansicht von Familientherapeuten Gruppenzwang und Stress. Die Freunde des Betroffenen sind oft selbst exzessive Computerspieler. Dadurch entsteht der Druck, mitzumachen – sei es auch nur, um mitreden zu können oder um nicht außen vor zu bleiben.

Der zweite große Einfluss ist Stress, häufige Konflikte und Streit im Familienleben. Am deutlichsten zeigt sich das in Familien mit süchtigen Eltern. Deren Kinder haben ein massiv erhöhtes Risiko, eine Computerspiel-Sucht zu entwickeln.

Familientherapeuten führen das auf eine misslingende Stressbewältigung zurück. Die Computerspiele helfen dem Kind kurzfristig, die Probleme zu verdrängen und zu vergessen. Langfristig finden sie sich selbst im Teufelskreis der Sucht wieder.

Familie als Prellbock gegen Stress

Stress kann auch durch andere Probleme entstehen: Gesundheitsprobleme, Entwicklungsprobleme, psychische Probleme, Schwierigkeiten in Schule oder Ausbildung. Wenn das Familienklima hier keine Unterstützung bietet, ist der Griff zur digitalen Ablenkung verlockend.

Wenn familientherapeutisch gearbeitet wird, wird das System um den Süchtigen gestärkt. Damit werden sowohl der tägliche Stresspegel gesenkt, als auch die Familie als Ressource für schwierige Zeiten aufgebaut.

Damit das funktioniert, werden alle Beteiligten in die Therapie einbezogen: Eltern, Geschwister, manchmal auch Freunde, Großeltern und natürlich der Süchtige selbst.

Drei therapeutische Techniken der Familientherapie

Um das ganze Spektrum an Problemen mit Familienkommunikation und Konflikten, psychischer Gesundheit, Lernschwierigkeiten, Schulproblemen und –schwänzen zu bearbeiten bedient sich die Familientherapie dreier Techniken:

1. Zusammenbringen

Eine therapeutische Allianz formen, die alle Familienmitglieder vereint. Wenn sich in einem System ein Teil ändert, hat das automatisch Auswirkungen auf alle anderen. Deshalb kann jedes Mitglied seinen Beitrag zur Besserung beitragen.

2. Identifizieren von Verhaltensmustern

In der Diagnose versucht der Therapeut jene Verhaltensmuster aufzudecken, die die Computerspiel-Sucht erlauben oder fördern.

3. Restrukturierung

Nun versucht der Therapeut, die gefundenen Verhaltensmuster zu verändern. Es geht also weniger darum, dem Süchtigen einen neuen Lebensstil aufzudrängen. Ihn für einige Zeit vom Computer wegzulocken, löst aus familientherapeutischer Sicht das Problem nicht. Stattdessen sollen die Interaktionen in der Familie verbessert werden. Damit soll er auch seinen Platz im Familiengefüge finden, so, dass die Familie eine emotionale Ressource wird.

Miteinander Sprechen

Deshalb sprechen die Familienmitglieder in der Therapiestunde eher untereinander als nacheinander zum Therapeuten. Er kann aus diesen Interaktionen erkennen, wo Probleme liegen. Macht die Familie Vorwürfe (anstatt Hilfe anzubieten)? Verleugnet sie das Problem (anstatt anzusprechen)?

Aus der Perspektive der Anderen

Der Therapeut kann mit Reframing versuchen, eine Veränderung zu erzielen. Beim Reframing (Frame = Bilderrahmen) bekommen Familienmitglieder die Aufgabe, das Problem aus der Perspektive des anderen zu betrachten. Das hilft, das Verhalten und die Gefühle des Anderen zu verstehen.

Am Ende sollen in der Familientherapie bessere Kommunikation, ein besseres Familienklima und größere Unterstützung und Fürsorge dem Betroffenen helfen. Deshalb legen Familientherapeuten ein besonderes Augenmerk auf schlechte Kommunikationsstile, aggressive Erziehungsmethoden und Vernachlässigung.

Computerspiele bieten eine schöne und spannende Welt. Das kann auf unerfüllte Bedürfnisse in der realen Welt hinweisen. Manchmal sind Trigger leicht zu finden: Todesfälle, Scheidungen oder Schulprobleme. Zum Rückzug in das Computerspiel soll es eine Alternative geben: die Familie als sicheren Hafen. Oder als Minimalvarianten: Eine Familie, vor der man nicht flüchten muss.

Auch eine Familie muss sich nach einer Sucht erholen

Wenn sich die Situation des Computerspiel-Süchtigen bessert, bleiben Familien oft in den schwierigen Umständen und ungünstigen Verhaltensmustern stecken. Lügen und Vorbehalte bestehen weiter. Dann kann Familientherapie der Familie helfen, als Ganzes zu heilen.

Gruppentherapie

Die Therapie in der Gruppe hat sich bei Suchterkrankungen bewährt. Süchtige lernen, dass sie nicht alleine mit ihren Problemen sind. Es ist in kritischen Zeit leichter, durchzuhalten, wenn es einen konkreten nächsten Termin gibt („Nur noch bis Mittwoch durchhalten.“).

Ein weiterer Vorteil: Bei Selbstzahlern sind die finanziellen Kosten für Gruppentherapie geringer als für Einzelsitzungen.

Computerspiel-Süchtige sind außerdem oft schüchtern bis hin zu starken sozialen Ängsten. In der Gruppe können sie Selbstvertrauen gewinnen und soziale Skills einüben.

Fazit: Die beste Lösung für Sie finden

Die meisten Psychologen und Therapeuten werden sich einfach den Baustein herauspicken, der am besten zu diesem individuellen Patienten und seiner aktuellen Situation passt – ob Elemente aus Verhaltens-, Familientherapie oder einer anderen Therapieschule.

Vielleicht merken Sie aber auch nach einiger Zeit, dass Sie mit der angebotenen Methode nicht zurecht kommst. Sprechen Sie das an, es findet sich immer eine Lösung.

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Computer und Internet erobern die Kindheit: Vom normalen Spielverhalten bis zur Sucht und deren Behandlung von  Jan Frölich & Gerd Lehmkuhl

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Quelle

Internet addiction in children and adolescents von Kimberly S. Young und Cristiano Nabuco de Abreu