Rund 25 % der Jugendlichen besitzen einen Account für ein Online-Rollenspiel (MMORPG). Erst die Entwicklung des Internets hat es möglich gemacht, dass sich die einzelnen Spieler in Gruppen, Clans und Gilden organisieren und dann gegen andere, reale Mitspieler antreten können. Diese soziale Komponente ist der Treibstoff für eine Abhängigkeit.
Worum es in Onlinespielen geht
In der virtuellen Welt kreieren die Spieler jeweils ihren eigenen Spielcharakter und bewältigen mit diesem Helden verschieden Herausforderungen (Quests, z. B. “Töte den Drachen”). Jede erfüllte Herausforderung lässt den Helden stärker werden.
Eine besondere Rolle spielen Ausrüstungsgegenstände (Items, wie Schwerter oder Rüstungen) für den Helden. Sie sind ebenfalls Belohnungen für Herausforderungen und erleichtern den weiteren Spielverlauf. In manchen Spielen können diese Gegenstände auch gegen echtes Geld (also richtige Euros aus der realen Welt) gekauft werden (Pay-to-Win).
Eine besondere Rolle spielen diese Ausrüstungsgegenstände auch, weil sie am damit eingekleideten Helden für alle anderen Mitspieler sichtbar sind. Der Spieler kann damit also herzeigen, dass er besonders erfolgreich ist – so erhält er mitunter viel soziale Bestätigung.
Die ersten Herausforderungen des Spiels sind in der Regel leicht und schnell zu erledigen, so ist die Einstiegshürde niedrig. Damit ist die Grundlage für den Verstärkungsplan gelegt. Im weiteren Spielverlauf werden die Aufgaben komplexer und schwieriger, bis sie schließlich nicht mehr alleine zu schaffen sind.
Organisation in Clans
Um diese Herausforderungen zu bewältigen, schließen sich die Spieler zu Clans und Gilden zusammen. Die Clans bleiben oft über Jahre bestehen, sodass sich relativ stabile soziale Verbände ergeben.
Innerhalb des Clans übernehmen die einzelnen Spieler spezialisierte Aufgaben, was es wiederum erschwert, sich Auszeiten zu nehmen. Während ein Spieler etwa Führungsaufgaben übernimmt, kann ein anderer durch die Fähigkeit „Heilen“ seines Helden eine unterstützende Rolle einnehmen.
Sozialer Druck entsteht
Weil die Gruppe von der Anwesenheit aller einzelnen Mitglieder abhängig ist, entsteht auch ein hoher sozialer Druck, an den verabredeten Terminen mitzuspielen. Es entwickeln sich eigene Normen und eine Erwartungshaltung, dass die einzelnen Spieler für die Gruppe da sind. Das führt folglich zu Konflikten mit den Verpflichtungen im realen Leben. Oft werden dadurch bisherige Freizeitinteressen des Spielers vernachlässigt, das Fußballtraining muss der Monsterjagd weichen. Ein Teufelskreis der Abhängigkeit beginnt.
Gleichzeitig erfährt der Spieler viel Bestätigung durch die leichten Erfolge in der virtuellen Welt. Zwischen den Erfolgen gibt es kaum Zwangspausen, die Hatz nach der nächsten Herausforderung kann sofort weitergehen. Meist schaffen es die Computerspiele auch, ein FLOW-Erleben auszulösen. Die Zeit verfliegt.
Gegenüber Single-Player-Spielen kommt bei Online-Spielen also ein sozialer Aspekt dazu, der das Computerspielen immer wieder neu befeuert und einen Abschluss des Spiels verhindert. Die Aufgabe des Spiels bedeutet nämlich auch, auf das soziale System des Clans, die dadurch gewachsenen Freundschaften und die Mitgliedschaft in dieser Gemeinschaft zu verzichten. MMORPGs sind mehr als nur ein Spiel.
Online-Spiele sind aufregender
Das zeigt sich auch in psychophysiologischen Untersuchungen. Wenn man misst, wie sehr das Spielen den Spieler erregt (als psychologisches Arousal) gibt es einen Unterschied zu herkömmlichen Spielen – die Erregung beim Online-Spiel ist signifikant höher.
Fazit
Sozialer Druck, leichte Belohnungen und Spieldesign machen Online-Videospiele gefährlicher als Single-Player-Spiele. Fast alle Süchtigen spielen online, sind meist auch in Clans und Gilden organisiert.
Deshalb begann nicht zufällig mit dem Aufkommen der Online-Spiele ein neues Zeitalter der Computerspiel-Sucht.
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