Wenn Patienten mit psychiatrischen Diagnosen wie Depression, einer Alkoholsucht, ADHS oder einer Angststörung in eine Klinik kommen wird normalerweise nicht auf eine Computerspiel- oder Internet-Sucht geprüft. Dabei wäre das sinnvoll.
Eingefleischte Behandler von psychiatrischen oder Sucht-Klinken haben in ihrer Laufbahn schon viel Leid, Elend und Tod miterleben müssen. Da scheint ein Phänomen wie Computerspiel-Sucht nicht an erster Stelle zu stehen.
Die Abwesenheit von offensichtlichen körperlichen Folgen täuscht darüber hinweg, dass ein zusätzlicher problematischer Medienkonsum den Leidensdruck der primären psychiatrischen Störung massiv verstärkt.
Computerspiel-Sucht ist noch ein blinder Fleck in der Diagnostik
Untersuchungen zeigen außerdem, dass Computerspiel-Sucht unter psychiatrischen Patienten viel häufiger vorkommet als in der Normalbevölkerung.
An einer Kinder- und Jugendpsychiatrie in Deutschland wurden ein halbes Jahr lang alle Neuaufnahmen auf exzessives Computerspielen oder Mediengebrauch untersucht. Sie waren zwischen 8 und 17 Jahre alt und vor allem wegen ADHS, Depression oder einer Angststörung in die Klinik gekommen. Von den 81 jungen Patienten zeigten 11 % Anzeichen einer Internet-Sucht. Im Vergleich zur Normalbevölkerung (durchschnittlich 4 %) sind das fast 3-mal so viele.
Eine größere Studie machte dasselbe mit 14-74-Jährigen, ebenfalls psychiatrischen Patienten. Sie waren zur psychiatrischen Rehabilitation in einer Klinik. Die meisten von Ihnen litten unter einer Alkoholsucht, andere an Cannabis-, Kokainabhängigkeit oder Glücksspielsucht. Von diesen 1826 Patienten zeigten 4,2 % Symptome einer Computerspiel- oder Internet-Sucht. Im Vergleich zur Normalbevölkerung (2 %) sind das mehr als doppelt so viele.
Computerspiel-Sucht in Kombination mit Cannabis- und Glücksspielabhängigkeit
Als die Forscher genauer hinsahen, sahen sie, dass manche psychiatrischen Störungen häufiger gemeinsam mit Computerspiel-Sucht auftreten. Bei Cannabis- und Glücksspielabhängigen ist die Quote noch einmal höher. Rund 8 % von ihnen zeigen auch die erhobenen Symptome. Es scheint also eine ganz spezifische Verbindung zwischen Cannabis- und Glückspielabhängigkeit und Computerspiel- und Internet-Sucht zu geben, die die Gefährdung um das 8-fache erhöht.
Computerspiel-Sucht in die Therapie einbeziehen
Denn eine Computerspiel-Sucht kann die bestehende psychische Belastung weiter erhöhen. Sie
- verhindert einen geregelten Alltag,
- erschwert die Einbindung in das soziale Netz mit Freunden, Bekannten und Familie und
- vermindert die Leistungsfähigkeit in Schule, Ausbildung und am Arbeitsplatz.
Psychotherapie und Suchtbehandlung sollen immer den Anspruch haben, ein gestörtes System in ein besseres (oder zumindest weniger gestörtes) System zu überführen. Das funktioniert am besten, wenn alle Aspekte behandelt werden.
Dazu gehört, auf eine mögliche Komorbidität mit Computerspiel-Sucht abzuklären und gegebenenfalls diese in der Behandlung zu berücksichtigen. Die Abhängigkeit von PC, Konsole oder Instagram mag keine Leberschäden oder Darmkrebs verursachen. Die psychische Belastung steht aber außer Frage und kann den Therapieerfolg der eigentlichen Behandlung zunichte machen.
Fazit
Deshalb sollte die Abklärung von Computerspiel-Sucht zum Standard in diagnostischen Erstgesprächen und Neuaufnahmen in psychiatrischen Einrichtungen werden.
Auch wenn Computerspiel- und Internet-Sucht in solchen Fällen nicht als primäre Erkrankung behandelt wird oder werden soll, erhöht sie das Leiden des Betroffenen.