Computerspiel-Sucht: Kriterien in Anlehnung an DSM-IV-TR

Erst 2013 mit dem DSM V wurde Computerspiel-Sucht als offizielle Forschungsdiagnose aufgenommen. Vorher behalf man sich mit einer Adaption bestehender Kriterien aus anderen Bereichen der Sucht.

Fachbuch Psychiater Krankheit Manual

Um eine Störung sicher diagnostizieren zu können, muss man eindeutige Diagnosekriterien festlegen. Am Anfang der Geschichte der Computerspiel-Sucht nahm man sich Kriterien der stoffgebundenen Süchte (Alkohol, Nikotin, Drogen) zum Vorbild.

Eine interdisziplinäre Suchtforschergruppe um Grüsser hat die Anwendung der allgemeinen Kriterien für Substanzabhängigkeiten auf das Thema der Computerspiel-Sucht vorgeschlagen.

Diese Kriterien waren:

  1. Craving – Unwiderstehliches Verlangen: Ein typisches Phänomen bei Süchten. Die Gedanken kreisen immer wieder um Computerspiele. Die Betroffenen beenden Schultage oder Arbeit vorzeitig, nur um möglichst schnell wieder spielen zu können.
  • Kontrollverlust: Das Verlangen nach Computerspielen wird so groß, dass der Süchtige die Kontrolle darüber verliert. Es ist ihm oft gar nicht bewusst, wieviel Zeit er vor dem Compter verbringt. Kann man sich die Gesamtspielzeit im Account anzeigen lassen, das ist für den Betroffenen meist selbst eine große Überraschung. Spielzeiten von über 10.000 Stunden in einem einzigen Spiel sind nicht ungewöhnlich, das entspricht einer 40h-Arbeitsstelle eines ganzen Jahres.
  • Entzugserscheinungen: Kann der Patient nicht spielen, z.B. weil er in Schule oder Arbeit ist oder weil ihm die Eltern den Internetzugang verwehren, treten Entzugserscheinungen auf. Meistens ist das aggressives Verhalten, vor allem bei jüngeren Patienten, dazu kommen motorische Unruhe, Nervosität, Reizbarkeit, Schlafstörungen, Konzentrationsschwäche.
  • Toleranzentwicklung: Um die angenehme Stimmung und Befriedigung zu bekommen muss der Süchtige im Laufe der Zeit immer länger und häufiger spielen. Von anfänglich wenigen Stunden pro Tag steigert sich die Spielzeit unkontrolliert.
  • Vernachlässigung wichtiger Lebensbereiche: Sowohl angenehme Aktivitäten als auch alltägliche Verpflichtungen treten in den Hintergrund und werden nicht mehr erfüllt. Hobbys und andere Freizeitaktivitäten wie Sport und Musik werden eingestellt. Soziale Kontakte, (Offline-) Freundschaften werden vernachlässigt, Verabredungen kurzfristig abgesagt.
  • Negative Konsequenzen: Die schulische oder berufliche Leistung sind wegen Übermüdung und Konzentrationsproblemen. Schule schwänzen oder Krankmeldungen werden genutzt, um in dieser Zeit weiter spielen zu können. Daraus folgen Nicht-Versetzung bei Schülern oder Abmahnungen und Kündigungen bei Berufstätigen. In schweren Fällen schaffen es die Betroffenen nicht mehr, sich um Arbeitslosengeld, Termine beim Arbeitsamt und ihre Finanzen zu kümmern. Dazu kommen gesundheitliche Probleme, Über- oder Untergewicht durch Mangelernährung, Haltungsschäden. Die Entwicklung der Persönlichkeit wird durch den sozialen Rückzug verhindert – soziale Kompetenzen, Problembewältigung und Selbständigkeit werden nicht angemessen erlernt.

Fazit

Die Orientierung an stoffgebundenen Süchten war ein wichtiger Schritt zum Verständnis der Computerspiel-Sucht. Auffällig sind die vielen Parallelen – Kontrollverlust, Entzugserscheinungen, Craving und Toleranzentwicklung.

Quellen

Thalemann, R., Wölfing, K., Güsser, S. M. (2007). Specific cue-reactivity on computergame related cues in excessive gamer. Behavioral Neuroscience, 121 (3), 614-618.