Begleiterkrankungen bei Computerspiel-Sucht | Komorbidität

Über 90 % der Computerspiel-Süchtigen ist zusätzlich an einer anderen psychischen Störung erkrankt.

Das gleichzeitige Auftreten mehrerer Störungen nennt man Komorbidität und ist typisch für Suchterkrankungen. Am häufigsten sind Persönlichkeits- und Angststörungen, ADHS, Depressionen und Drogenkonsum.

Diagramm: Die häufigsten Begleiterkrankungen  - Komorbidität bei Computerspiel- und Internet-Sucht
Über 90% der Computerspiel-Süchtigen leiden zusätzlich an einer zweiten psychischen Erkrankung.

Persönlichkeitsstörungen, Angst und Depressionen bei jedem Zweiten

Schon 1999 konnten Forscher zeigen, wie verbreitet andere Störungen unter Computerspiel-Süchtigen sind. Mit 90 % leiden fast alle Betroffenen an einer weiteren psychischen Krankheit.

Mehr als die Hälfte der Betroffenen litt unter einer Persönlichkeitsstörung, darunter am häufigsten Borderline oder eine Zwangsstörung. An zweiter Stelle folgen Angststörungen (50 %) und Depressionen (40 %). Speziell Depressive haben ein hohes Suizidrisiko, deshalb sollten die Symptome einer Depression besonders sorgfältig abgeklärt werden.

Persönlichkeitsstörungen | Begleiterkrankungen bei Computerspiel-Sucht

Über 50% der Computerspiel-Süchtigen haben zusätzlich eine psychische Persönlichkeitsstörung. Was sind die häufigsten Störungen?

Burn-out bzw. Erschöpfungsdepression

Für viele Wissenschaftler ist Burn-out nur eine Variante der Depression, deshalb auch mit Erschöpfungsdepression umschrieben. So taucht Burn-out in den wissenschaftlichen Studien nicht getrennt auf. Berichte aus dem klinischen Alltag lassen darauf schließen, dass ein beträchtlicher Teil der 40 % Komorbidität auf eine solche Erschöpfungsdepression/Burn-out entfällt.

Depression und Burnout | Begleiterkrankungen bei Computerspiel-Sucht

40% der Computerspiel-Süchtigen sind depressiv. 🗸 Warum ist eine Depression gefährlich? 🗸 Warum sind Computerspiel-Süchtige häufig betroffen?

Alkohol, Nikotin und Drogen

Ungefähr ein Drittel der Computerspiel-Süchtigen konsumierte legale oder illegale Drogen. Weit verbreitet waren Angst-Störungen und Psychosen (das sind z. B. Wahnvorstellungen oder Halluzinationen).

ADHS bei 23 % der Computerspiel-Süchtigen

Auch neuere Untersuchungen in den Jahren 2007 bestätigten, dass bis zu 86 % der Computerspielsüchtigen an Depressionen, Angst- und Persönlichkeitsstörungen leiden. Jugendliche zeigten zugleich sehr häufig Symptome von ADHS – 9-mal so häufig wie unter normalen Jugendlichen.

Ein Kernsymptom für ADHS ist Impulsivität:

  • Kurzzeitige Wutausbrüche
  • Handeln, ohne über die Folgen nachzudenken
  • Anderen häufig ins Wort fallen
  • Risikofreudiges Verhalten

Diese Impulsivität ist bei Computerspiel-Süchtigen häufig.

ADHS | Begleiterkrankungen von Computerspiel-Sucht

23% der Computerspiel-Süchtigen leiden an ADHS. Die Aufmerksamkeitsdefizitstörung muss erkannt und behandelt werden, um Rückfälle zu vermeiden.

Soziale Ängste und Schüchternheit

Es mag wie ein Klischee klingen, aber das Bild des scheuen Nerds passt für mindestens 12 % der Süchtigen, die zudem an einer sozialen Phobie leiden. Sie meiden gesellschaftliche Zusammenkünfte und bekommen schon beim Gedanken daran Angst und Panik.

Je mehr Computerspiel-Süchtige in den Videospielen Kontakte knüpfen, desto ängstlicher und einsamer fühlen sie sich im echten Leben. Sie fühlen sich unwohl in sozialen Interaktionen und ihre Freundschaften sind qualitativ schlechter.

Weiters gilt: Mit jeder zusätzlichen Stunde vor dem Computer nimmt die Anzahl der guten Freundschaften ab. Das führt zwangsweise zu Vereinsamung, zu geringem Selbstwert und niedriger Lebenszufriedenheit.

Soziale Ängste | Begleiterkrankungen von Computerspiel-Sucht

Mehr als schüchtern: Soziale Phobie verhindert ein normales Leben – Betroffene flüchten deshalb in Computerspiele. 🗸 Warum? 🗸 Wie entsteht der Teufelskreis?

Eine Computerspiel-Sucht verhindert auch die Behandlung der Begleiterkrankung

Obwohl Abhängige tatsächlich oft an psychischen Störungen leiden, haben sie meistens auch für diese noch keine professionelle Hilfe bekommen. So besteht der Verdacht:

  • Dass eine Computerspiel-Sucht ein Stück weit der verzweifelte Versuch ist, die Probleme durch Verdrängung zu lösen (Selbstmedikation).
  • Dass durch das weitere Verdrängen sowohl die Computersucht als auch die Begleiterkrankung ungebremst schlimmer werden kann.

Fazit

Diese Begleiterkrankungen wie Depressionen, Angstzustände oder ADHS sind der Grund, wenn Computerspiel-Süchtige Medikamente erhalten. Es gibt kein Medikament, das speziell für Computerspiel-Sucht geeignet wäre. Für die Begleiterkrankungen sind passende Medikamente wie Antidepressiva eine gute Wahl.

Buchempfehlung

Karl Mann – Verhaltenssüchte I Grundlagen I Diagnostik I Therapie I Prävention

Lehrbuch Sucht - Verhaltenssüchte wie Kaufsucht, Internetsucht und Onlinesucht

Quellen

Ahn DH (2007) Korean policy on treatment and rehabilitation for adolescents’ Internet addiction. In: 2007 International symposium on the counseling and treatment of youth internet addiction. National Youth Commission, Seoul, Korea, S 497

Black, D. W., Geeta, B. & Schlosser, S. (1999). Clinical features, psychiatric comorbidity, and health-related quality of life in persons reporting compulsive computer use behavior. Journal of clinical Psychiatry, 60, 839- 844.

Petersen, S. (2008) Internetsucht und ihre Korrelate – eine empirische Studie. Diplomarbeit Psychologie, Universität Bremen.

Ko, C. H., Yen, J. Y., Chen, C. C., Chen. S. H. & Yen, C. F. (2005). Proposed diagnostic criteria of Internet addiction for adolecents. The Journal of Nervous and Mental Disease, 193 (11). 728-733.

Lo, S., Wang, C., & Fang, W. (2005). Physical interpersonal relationships and social anxiety among online game players. CyberPsychology and Behavior, 8 (1), 15-20.

McKenna KYA, Bargh JA. 2000. Plan 9 from cyberspace: the implications of the Internet for personality and social psychology. Personal. Soc. Psychol. Bull. 4:57–75

Shapira, N. A., Goldsmith, T. D., Keck Jr., P. E., Khosla, U. M., & McElroy, S. L. (2000). Psychiatric features of individuals with problematic Internet use. Journal of Affective Disorders, 57, 267-272.

Yang C-K (2001) Socialpsychiatric characteristics of adolescents who use computerus to excess. Acta Pychiat Scand 104: 217-222

Yoo HJ, Cho SC, Ha J, Yune SK, Kim SJ, Hwang J (2004) Attention deficit hyperactivity symptoms and Internet addiction. Psychiat Clin Neuros 58:487–494